24.11.2013 Aufrufe

Bildung - Alles, was man wissen muss

Bildung - Alles, was man wissen muss

Bildung - Alles, was man wissen muss

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

396 KÖNNEN<br />

<strong>Bildung</strong> ist der Name eines sozialen Spiels, das durch erhöhte Erwartungen und<br />

Erwartungserwartungen in Bezug auf das kulturelle Wissen der Mitspieler gekennzeichnet<br />

ist; diese dürfen die Erwartungen und Erwartungserwartungen nicht thematisieren.<br />

Ihre Geschicklichkeit besteht darin, diese Erwartungen gleichzeitig zu erkunden<br />

und zu erfüllen oder, wenn das nicht gelingt, es den anderen nicht merken zu lassen.<br />

Das Ergebnis ist, daß in der <strong>Bildung</strong> wie in der Liebe die Erwartungen unrealistisch<br />

werden, weil sie nicht überprüft werden dürfen. Das tabuisiert bestimmte Fragen.<br />

Im <strong>Bildung</strong>sbereich muß <strong>man</strong> im Zweifelsfall unterstellen, daß <strong>man</strong> eine Sache<br />

<strong>wissen</strong> muß und sie deshalb nicht fragen darf.<br />

Auf einer Party wäre es zwar erlaubt, folgende Bitte zu äußern: »Verzeihen Sie,<br />

aber können Sie mir mal den zweiten thermodynamischen Hauptsatz erklären, ich<br />

habe ihn nie verstanden.«<br />

Einige werden dann beglückt rufen: »Ich auch nicht«, und es wird viel Gekicher<br />

geben. Der zweite thermodynamische Hauptsatz gehört nicht zur <strong>Bildung</strong>.<br />

Aber äußern Sie mal die Frage:<br />

»Van Gogh, van Gogh, ist das nicht der Mittelstürmer der holländischen Fußball<strong>man</strong>nschaft,<br />

der bei der letzten WM dem deutschen Torwart das Nasenbein gebrochen<br />

hat?«<br />

Wenn Ihre Ernsthaftigkeit Ihre Zuhörer davon überzeugt, daß Sie keinen Witz<br />

machen wollten, werden sich ihre Mienen mit Bestürzung überziehen, und sie werden<br />

künftig den Umgang mit Ihnen meiden.<br />

Das führt zu einer weiteren Definition.<br />

<strong>Bildung</strong>s<strong>wissen</strong> besteht aus Kenntnissen, nach denen <strong>man</strong> nicht fragen darf.<br />

Die Bestürzung, die Ihre Frage nach van Gogh erregt hat, dürfen Sie nicht als <strong>Bildung</strong>shochmut<br />

mißverstehen. Eher ist es Hilflosigkeit der Zuhörer gegenüber je<strong>man</strong>dem,<br />

der die Regeln der Unterstellung gebrochen hat. Das lähmt sie: Der Fluß der<br />

Konversation staut sich plötzlich an der Mauer der Ratlosigkeit. Jede Antwort würde<br />

Sie beleidigen und als Leprösen kennzeichnen. Hier eine kleine Auswahl solcher unmöglichen<br />

Antworten:<br />

»Nein, mein Gutester, der van Gogh, von dem wir sprechen, war ein Maler.«<br />

Das ist die direkteste Entgegnung, und sie riecht nach common sense, ist aber in<br />

Wirklichkeit eine Stinkbombe, die kenntlich macht, daß Sie ein un<strong>wissen</strong>der Klotz<br />

sind und von nun an als Paria behandelt werden.<br />

Eine andere Antwort wäre:<br />

»Ich glaube nicht, aber natürlich kenne ich mich im Fußball nicht so gut aus wie<br />

Sie.«<br />

Das wäre schon süffisant und würde bei den anderen Anwesenden ein leises

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!