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Bildung - Alles, was man wissen muss

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440 KÖNNEN<br />

das demaskieren, <strong>was</strong> er ist: ein Hochstapler und Blender. Sieht der Kritiker den<br />

Schriftsteller dagegen als kleinen Bruder, so macht er sich zum Vater seines Erfolgs.<br />

Hat er ihn nicht nach seinem ersten Ro<strong>man</strong> für die Öffentlichkeit entdeckt? Und<br />

seitdem, hat er nicht seine Hand über ihn gehalten? Der Kritiker fühlt sich dann wie<br />

ein Fußballtrainer, dessen Kritik dem Zwecke dient, seinen Schützling zu noch besseren<br />

Leistungen anzustacheln. Deshalb kann er nicht mit dem Erreichten zufrieden<br />

sein. Doch seine Kritik ist nicht destruktiv, sondern ermutigend und aufbauend.<br />

Sieht er eine Autorin dagegen als ältere Schwester an, so ist er stolz, zu ihrem Erfolg<br />

beitragen zu können. Er bemüht sich dann, durch seine Kritik überhaupt die<br />

Aufmerksamkeit der großen Autorin zu erregen. Das gelingt ihm dadurch, daß er sie<br />

besser und tiefer versteht als irgendein anderer. Er konkurriert dann nicht mit ihr,<br />

sondern mit den anderen Kritikern. Während er seine Kritik verfaßt, stellt er sich vor,<br />

wie sie seine Kritik liest und denkt: »Endlich einer, der mich versteht, die anderen haben<br />

alle keine Ahnung, aber dieser hier…«<br />

Theaterkritiken<br />

Theaterkritiken sollten eigentlich für diejenigen geschrieben werden, die die Inszenierung<br />

noch nicht gesehen haben. Aber in Wirklichkeit orientiert sich der Kritiker<br />

an denen, die die Premiere erlebt haben, und an den anderen Kritikern. Und an dem<br />

Ensemble und dem Regisseur. Denn das sind die Leute, die er persönlich kennt. Sie<br />

sind es, die er als Leser vor Augen hat, wenn er seine Kritik verfaßt, und nicht etwa die<br />

potentiellen Besucher, die weder die Inszenierung noch das Stück noch den Autor<br />

kennen. Weil er den Kennern gegenüber nicht als naiv erscheinen möchte, setzt der<br />

Kritiker diese Kenntnisse voraus. Er beschreibt nicht, er urteilt; er informiert nicht<br />

über Autor und Stück und gewinnt daraus die Maßstäbe für seine Kritik, sondern er<br />

bezieht sich auf andere Inszenierungen und auf andere Regisseure, die der Leser der<br />

Kritik auch nicht kennt. Das liegt daran, daß das Theater ein ziemlich geschlossenes<br />

Milieu von Insidern ist. Auch Regisseure wollen ja in erster Linie ein Stück nicht<br />

möglichst adäquat dem Publikum zugänglich machen, sondern sich vor allem von anderen<br />

Regisseuren unterscheiden. Diese Neigung wird dadurch verstärkt, daß die<br />

Theaterkritik sie ständig alle miteinander vergleicht. Aus diesem Grunde besprechen<br />

viele Kritiker lieber Klassikerinszenierungen als die Aufführung neuer, unbekannter<br />

Stücke: Sie machen weniger Mühe. Man kennt diese Stücke schon und erinnert sich<br />

an andere Inszenierungen. Bei neuen Stücken dagegen weiß der Kritiker nicht, <strong>was</strong> er<br />

dem Stück und <strong>was</strong> der Inszenierung zuschreiben soll. Um das herauszufinden, müßte<br />

er das Stück lesen oder sich sogar über den Autor informieren (<strong>was</strong> etwa bei einem<br />

ausländischen Autor der Fall sein kann, der zu Hause erfolgreich, aber hier noch unbekannt<br />

ist).

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