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Bildung - Alles, was man wissen muss

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324 WISSEN<br />

danten Wieland Wagner vererbt. Im Wagner-Kult trifft eine Dynastie auf eine Gemeinde.<br />

Doch zu Wagners eigener Zeit ist dieser Kult mehr als eine persönliche Marotte:<br />

Er zeigt, daß die Kunst den Gipfel ihrer Herrschaft erklommen hat. Und als Gipfel<br />

der Kunst gilt vielen Zeitgenossen – etwa Schopenhauer – die Musik. Im Symbolismus<br />

versucht auch die Dichtung wie Musik zu werden, und im Ästhetizismus der<br />

Jahrhundertwende löst sich selbst das Leben in Kunst auf.<br />

Entsprechend sucht Wagner alle Künste unter der Herrschaft der Musik in einem<br />

Gesamtkunstwerk zu versammeln. Text, Musik, Bühnenbild und Choreographie werden<br />

in bisher nicht gekannter Intensität aufeinander bezogen. Und seine Opern zerfallen<br />

nicht mehr in Nummern, sondern werden so durchkomponiert, daß innerhalb<br />

eines Aktes alles aus einem Guß ist. Dazu denkt er sich ein neues Konstruktionsprinzip<br />

aus: das Leitmotiv. Alle bedeutenden Elemente einer Story erhalten jetzt eine Art<br />

musikalisches Erkennungszeichen, so wie etwa eine Person an ihrem Tick erkannt<br />

wird. Aber das gilt nicht nur für Personen, sondern auch für Gegenstände, Gefühle<br />

und Situationen. So besteht etwa das Schwertmotiv bei Siegfried aus einer männlich<br />

aufsteigenden Tonfolge. Aus diesem Motivbaukasten setzt Wagner seine Opern zusammen.<br />

Varianten der Motive deuten Veränderungen an. Erklingt das Schwertmotiv<br />

auf einmal in Moll, bedeutet das eine Schwächung von Siegfrieds Macht.<br />

Noch in einer anderen Hinsicht gilt Wagner als exemplarisch. Der Ro<strong>man</strong>tik reichen<br />

die klassischen Harmoniefolgen (also jene sechs Akkorde zu einem Grundton)<br />

nicht mehr aus. Immer komplexer werden die Harmoniefolgen, immer mehr Töne,<br />

die die Klassiker noch nicht in einem bestimmten Akkord geduldet hätten, werden<br />

hinzugefügt. Und immer neue Kombinationen von Akkorden werden zusammengestellt.<br />

Für einige Zeitgenossen bedeutet Wagners Tristan-Akkord am Anfang von Tristan<br />

und Isolde das Ende der Harmonie. Die Akkordreihe, die nun folgt, ist zwar noch<br />

auf einen Grundton bezogen, aber dieser kommt gar nicht mehr vor. Mit der Jagd<br />

nach immer mehr Ausdruck, noch höherer Kunst und noch tieferer Bedeutung in der<br />

Musik kommt die ro<strong>man</strong>tische Musik an ihre Grenze. Und jenseits dieser Grenze<br />

liegt die Moderne.<br />

Die Moderne<br />

Als erster moderner Komponist gilt Gustav Mahler (1860–1911). Eigentlich ein Ro<strong>man</strong>tiker<br />

und Wagner-Fan mit einem Hang zum Gigantischen (seine Sinfonie der Tausend<br />

benötigt 1.379 Musiker), beginnt er seine Sinfonien in Richtung einer collagenartigen,<br />

sich selbst reflektierenden Musik aufzulösen. Die chaotische akustische Umwelt<br />

wird ihm zum Vorbild einer disparaten Zusammenstellung von Klängen, in<br />

denen Musik sich selbst kommentiert. Ein Vogelzwitschern wird erst täuschend echt

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