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Bildung - Alles, was man wissen muss

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462 KÖNNEN<br />

ihre Eleganz, ihre Grandezza und ihre Großzügigkeit bewundert; daß <strong>man</strong> von ihren<br />

Darstellungskünsten hingerissen ist und daß <strong>man</strong> sich vor der Vollkommenheit ihres<br />

Forminstinkts und der Souveränität ihres Auftretens verbeugt.<br />

Drei weitere Länder Europas gehören zu einer Sonderkategorie: Sie sind –– jedes<br />

auf seine Weise – gewissermaßen ein Kompromiß zwischen Deutschland und Ausland.<br />

Das sind Österreich, die Schweiz und – mit einer ge<strong>wissen</strong> Abstufung – Holland.<br />

Sie haben deshalb bestimmte Abgrenzungsprobleme gegenüber Deutschland.<br />

Dabei verhalten sie sich wie erfolgreiche Männer, die ihren guten Ruf durch einen<br />

Frauenmörder in der Familie gefährdet sehen und deshalb <strong>man</strong>chmal zu sehr betonen,<br />

daß sie mit ihm nicht verwandt sind.<br />

Österreich<br />

Die Österreicher haben ein handfestes Identitätsproblem, das fast so groß ist wie unser<br />

eigenes: denn sie sind praktisch Deutsche. Es fehlt wirklich nicht viel. Sie sind es<br />

immer gewesen – jedenfalls bis 1870 –, dann wollten sie es 1918 selber werden, haben<br />

es 1938 mit Hilfe ihres Lands<strong>man</strong>ns Adolf Hitler tatsächlich geschafft, und erst 1945<br />

entdeckten sie, daß sie Österreicher waren und mit den Deutschen kaum je et<strong>was</strong> zu<br />

tun gehabt hatten.<br />

Solch ein Bewußtsein krankt naturgemäß an Brüchen und Widersprüchen:<br />

Schließlich muß <strong>man</strong> damit leugnen, daß die Habsburger so lange deutsche (genauer<br />

gesagt: römische) Kaiser waren, daß die Hauptstadt des Heiligen römischen Reiches<br />

deutscher Nation Wien war – wenn <strong>man</strong> überhaupt von Hauptstadt reden kann ––<br />

und daß bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nie<strong>man</strong>d auf den Gedanken gekommen<br />

wäre, in den Österreichern et<strong>was</strong> anderes zu sehen als eine besondere Art von<br />

Deutschen. Darin unterschieden sie sich aber nicht von anderen Deutschen, weil aufgrund<br />

der langen politischen Zersplitterung des Reiches alle eine besondere Art von<br />

Deutschen geworden waren – die Bayern, die Preußen, die Rheinländer, die Schwaben,<br />

die Hanseaten etc.<br />

Nach 1945 erst kam die Scheidung. Österreich wollte für die Schandtaten nicht<br />

in Haftung genommen werden und büßen. Deshalb stilisierte <strong>man</strong> sich als erstes Opfer<br />

der Deutschen, das 1938 – im sogenannten »Anschluß« – von einem brutalen<br />

Gegner besetzt und vergewaltigt worden war. Diese Selbststilisierung ist zwar historisch<br />

falsch – in Wirklichkeit wurde die Besetzung bejubelt, und die antisemitischen<br />

Ausschreitungen waren sowohl besonders krass als auch populär –, aber sie ist verständlich<br />

und bedeutet im Grunde, daß <strong>man</strong> sich geniert.<br />

Aus diesem Grunde hat in Österreich eine »Vergangenheitsbewältigung« im deutschen<br />

Sinne nicht stattgefunden. Damit hat es auch die »antiautoritäre Bewegung«<br />

nicht gegeben.

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