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Bildung - Alles, was man wissen muss

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212 WISSEN<br />

zögerungen kommt es zur schmerzhaften Selbsterkenntnis des Helden, wenn er begreifen<br />

muß, daß er sich sein eigenes Grab geschaufelt hat.<br />

An dieser Struktur kann die Tragödie aussichtslose Lagen, Zwickmühlen, Dilemmata<br />

und unlösbare Konflikte zwischen gleichrangigen Werten darstellen. Häufig<br />

werden Omen eingesetzt, um die Handlung voranzutreiben: Träume, Orakel, Warnungen,<br />

Pläne, Weissagungen von Hexen oder Expertenkommissionen. Diese Voraussagen<br />

produzieren Reaktionen, die just das Desaster verursachen, das sie verhindern<br />

wollen.<br />

Sozial gesehen ist die Tragödie ein Sündenbock-Ritual: Ein bedeutendes, hochrangiges<br />

Individuum, das zunächst geliebt wurde, gerät durch seine Verstrickungen<br />

zusehends in die Isolation, bis die Gesellschaft all ihren aufgestauten Haß und ihre<br />

Schuld auf es projiziert und sich durch seine Opferung reinigt. Heute haben tragische<br />

Plots oft die Form von Skandalen, bei der die Lynchmeute von den Medien gespielt<br />

wird. Hexenjagden, die Verfolgung von Mobbing-Opfern, Pogrome, Diskriminierung<br />

von Minderheiten und Kampagnen gegen vermeintliche Schurken haben alle eine<br />

ähnliche Struktur, wobei sich immer ein isoliertes Opfer und eine Jagdmeute gegenüberstehen.<br />

Die Tragödie betont die Unerbittlichkeit der Zeit, die Verfallenheit an den Tod<br />

und die Unterwerfung unter die Gesetze der Gesellschaft und der Natur. Isolation<br />

wird als Selbstüberhebung bestraft, so als ob der Held sich durch Stolz aus der Gesellschaft<br />

ausschließt.<br />

3. Die klassische Komödie ist die Umkehrung der Tragödie. Ist das Thema der Tragödie<br />

der Tod, so ist es bei der Komödie die Liebe. Sie sorgt dafür, daß der komische<br />

Held da beginnt, wo der tragische Held endet: in der Isolation. Denn die Gesellschaft,<br />

vertreten durch den Vater der Geliebten, erlaubt ihm nicht, sie zu heiraten. Doch nach<br />

und nach zieht der jugendliche Held durch seinen Charme, seine Attraktivität und<br />

seine zukunftsfrohe Jugendlichkeit, die das Leben selbst repräsentiert, immer mehr<br />

Verbündete auf seine Seite, bis er fast eine Gegengesellschaft zusammen hat. Diese<br />

unterwirft den alten Vater (in der Ro<strong>man</strong>ze war das der Drache, der die Jungfrau bewacht)<br />

durch Intrigen und Täuschungen einer komischen Therapie, die ihn zur Einsicht<br />

und dazu bringt, dem jungen Sieger seine Tochter zu geben. In einem anschließenden<br />

Hochzeitsfest wird dann die Versöhnung der geteilten Gesellschaft mit sich<br />

selbst gefeiert, die auch den alten Widersacher miteinschließt.<br />

Ist die Tragödie die Ästhetisierung des Sündenbock-Rituals im Opfer durch Katharsis<br />

(Reinigung), so dramatisiert die Komödie die Hochzeit. In der Komödie geht<br />

es um die Fruchtbarkeit, die den Tod besiegt. Sie thematisiert die Sexualität und die<br />

Erotik. Ihr Ziel ist die gesellschaftliche Integration.

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