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Bildung - Alles, was man wissen muss

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DIE GESCHICHTE EUROPAS 55<br />

Philosophie<br />

Mit der Erfindung der Philosophie eröffnen die Griechen eine neue Epoche der<br />

Menschheit. Das Denken entdeckt sich selbst, befreit sich aus den Fesseln der Religion<br />

und gibt sich selbst die Gesetze. Es sind die Gesetze der Logik. Dabei bleibt es<br />

an die Geselligkeit und die öffentliche Rede gebunden. Denken ist Dialog und nicht<br />

Monolog. Das entspricht der Demokratie. Philosophie entfaltet sich als Rede und<br />

Gegenrede, als Disputierkunst und als Methode, eine Sache von allen Seiten zu betrachten.<br />

Die Griechen nennen das Dialektik. Sie wird besonders von den Sophisten<br />

geübt, die als wandernde Rhetoriklehrer Schulungskurse für Politiker geben und<br />

sich damit einen schlechten Ruf wegen ihres Opportunismus einhandeln. Von ihnen<br />

grenzt sich ein Dreigestirn ab, das wie kein anderes das europäische Denken bis in<br />

unsere Zeit geprägt hat: Sokrates, Platon und Aristoteles. Sie gehören zusammen,<br />

denn Platon ist Schüler von Sokrates, und Aristoteles ist Schüler von Platon. Sokrates<br />

(470–399) durchlebt die perikleische Zeit und den Peleponnesischen Krieg; Platon<br />

(427–347) wirkt in der Zeit des Wiederaufstiegs Athens, und Aristoteles<br />

(384–322) erlebt den Aufstieg Mazedoniens und wird Lehrer Alexanders des Großen.<br />

Sokrates (470-399)<br />

Sokrates selbst hat nichts Schriftliches hinterlassen, und so stammt fast alles, <strong>was</strong> wir<br />

über ihn <strong>wissen</strong>, aus den philosophischen Dialogen seines Schülers Platon. In diesen<br />

Dialogen hören wir ihn sprechen. Sie zeigen uns eine so lebendige Figur, daß sie sich<br />

dem europäischen Gedächtnis eingeprägt hat.<br />

Sokrates war Sohn eines Bildhauers und einer Hebamme, bildhauerte anfangs<br />

auch selbst und wurde dann Sophist, verstieß aber gegen deren Zunftregeln: Ihm ging<br />

es nicht um die Vermittlung verbaler Tricks, sondern um die moralische Begründung<br />

der Politik. Weil er sah, daß die Religion dazu nicht mehr ausreichte, suchte er die<br />

Elite Athens durch Erziehung zum selbständigen Denken regierungsfähig zu machen.<br />

Dahinter standen wohl auch schlechte Erfahrungen mit der Amateur-Demokratie als<br />

Herrschaft des Mobs (Ochlokratie): Sokrates ist zwar selbst sehr bürgerlich und lebt<br />

bescheiden, zu seinen Schülern aber macht er nur die Vornehmsten. Er will demokratische<br />

Elitebildung durch <strong>Bildung</strong>. Da er Überzeugungstäter ist, nimmt er kein Honorar.<br />

Seine Frau Xanthippe aber hatte kein Verständnis dafür, daß die Frage, <strong>was</strong> das<br />

Wesen der Tugend sei, wichtiger sein sollte als das Essen auf dem Tisch, und führte mit<br />

ihm lautstarke Beziehungsgespräche, durch die Sokrates weiter seine Dialektik trainierte.<br />

Er hatte wohl eine starke Mutterbindung, denn er bezeichnete seine Technik<br />

als Hebammenkunst (Mäeutik).<br />

Sokrates holte also die Philosophie von der Natur in die Gesellschaft. Dabei stell-

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