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Bildung - Alles, was man wissen muss

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DIE GESCHICHTE EUROPAS 207<br />

Dieser Nachruf muß Friedrich den Großen, die preußischen Reformer und die<br />

Königinnen der Berliner Salons am Anfang des 19. Jahrhunderts ausnehmen. Aber sie<br />

alle waren ziemlich unpreußisch: Friedrich war schöngeistig, die Salonköniginnen<br />

waren jüdisch und die Reformer waren keine Preußen.<br />

Zugleich hatte sich Deutschland durch seine Niederlage, seine beschränkte Souveränität<br />

und seine Westintegration als selbständige Macht aus der großen Politik verabschiedet.<br />

Es begann die Zeit des Wohlstands und des politischen Biedermeier, auf<br />

die die Bewegung von 1968 mit Re-Ideologisierung und politischer Phantasterei<br />

(Übergang zum Sozialismus) reagierte.<br />

Die Studentenbewegung war ein internationales Phänomen. In Deutschland entstand<br />

sie aus der Mischung dreier Trends: der Legitimationskrise Amerikas durch den<br />

Vietnam-Krieg; der Ausweitung des <strong>Bildung</strong>ssystems; und der Aufarbeitung der Nazi-<br />

Verbrechen. Das Nazi-Problem zog die politische Kultur wieder in den Bannkreis der<br />

deutschen Phantastik. Aus dem Zerfall der Studentenbewegung entstanden terroristische<br />

Gangs politischer Desperados und die fundamentalistische Bewegung der Grünen.<br />

In ihnen zeigte sich die Metamorphose der Deutschen am deutlichsten: eine<br />

unterirdische Theorie<strong>was</strong>chanlage hat die ehemals rechte Naturanbetung, Kulturkritik<br />

und Lebensreformmentalität auf links umetikettiert und auf diese Weise ein linkes<br />

Selbstverständnis mit einer rechten Mentalität versöhnt. Inzwischen ist diese Generation<br />

an die Regierung gekommen. Sie ist die erste Generation, die nicht durch den<br />

Krieg selbst geprägt wurde.<br />

Während sich Deutschland allmählich verwandelte, liquidierten (lösten auf) die<br />

westeuropäischen Mächte in den 60er Jahren ihre kolonialen Imperien. Indien war 1948<br />

unabhängig geworden und hatte sich dabei unter Qualen in ein moslemisches Pakistan<br />

und ein hinduistisches Indien gespalten. Und Frankreich führte noch sinnlose Kolonialkriege<br />

gegen die Befreiungsbewegungen von Indochina und Algerien. Aber England gelang<br />

es im großen und ganzen recht gut, die Entlassung seiner zahllosen Kolonien in die<br />

Unabhängigkeit auf zivilisierte Weise zu organisieren. Anderswo wurden die neuen Staaten<br />

sofort durch Bürgerkriege bedroht, die als Stellvertreterkriege der Supermächte geführt<br />

wurden: Man unterstützte die eigene Seite und verlängerte so den Krieg. Dabei<br />

nahmen die USA in Kauf, auch autoritäre oder semi-faschistische Regimes zu unterstützen,<br />

und untergruben so ihren moralischen Kredit. Das motivierte die Studentenbewegung<br />

dazu, Kapitalismus mit Faschismus gleichzusetzen (wobei <strong>man</strong> den Krieg der<br />

USA gegen Hitler als unbedeutenden Ausrutscher hinstellen mußte).<br />

Dieser Weltdualismus wurde stabil gehalten durch die Gefahr, daß sich bei einem<br />

Angriff die Nuklearmächte gegenseitig vernichteten. Das zwang beide Seiten dazu,<br />

sich an den sensiblen Punkten ganz vorsichtig zu bewegen. Nur einmal war der<br />

Showdown zum Greifen nahe: Als 1962 Präsident Kennedy eine Blockade Kubas ge-

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