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Bildung - Alles, was man wissen muss

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214 WISSEN<br />

gen: Bei dem Versuch, die Utopie als Ro<strong>man</strong>ze der Revolution zu realisieren, produzierte<br />

<strong>man</strong> die satirische Hölle der Lager, und dann galt: die Revolution wurde zum<br />

Tyrannen, der seine Kinder frißt.<br />

Durch die Schwarzweißzeichnung bei der Kontrastierung von Sadismus und Unschuld<br />

changiert (wechselt, geht über zu) die Satire leicht zum Melodram und zur<br />

Schauerliteratur. Das war eine Spezialität der Ro<strong>man</strong>tik, in der die Hölle aus mittelalterlichen<br />

Verliesen, Gefängnissen der Inquisition und Gewölben verfallener Burgen<br />

bestand, in denen unschuldige Jungfrauen von irren Adligen, sadistischen Mönchen,<br />

wahnsinnigen Wissenschaftlern oder teuflischen Verbrechern gefangengehalten und<br />

unter irrem Gelächter mit der Aussicht auf Vergewaltigung oder ähnliche Torturen<br />

unterhalten wurden. Aus diesem Arsenal der schwarzen Ro<strong>man</strong>tik mit ihren Trivialmythen<br />

lebt noch ein Großteil der heutigen Film- und Schundproduktion von Dracula<br />

bis zum Snuff-Movie.<br />

Geschichte der Literatur und literarischer Kanon<br />

Man könnte diese erste Kartographie der Literatur noch verfeinern, aber für unsere<br />

Zwecke reicht sie, um das Terrain abzustecken, auf dem die moderne Literatur zu verorten<br />

ist.<br />

Im Mittelalter dominiert die Ro<strong>man</strong>ze.<br />

In der Renaissance übernehmen die Tragödie und der heroische Stil die Führung,<br />

wobei <strong>man</strong> sich an antiken Vorbildern orientiert.<br />

Und mit dem 18. Jahrhundert und vollends mit dem realistischen Ro<strong>man</strong> des 19.<br />

wird die mittlere Stillage der realistischen Prosa zum Maßstab der bürgerlichen Literatur<br />

und ihrer alles beherrschenden Gattung des Ro<strong>man</strong>s.<br />

Mit der Avantgarde des 20. Jahrhunderts wird die Literatur wieder »unrealistisch«,<br />

bricht mit den Grundannahmen der »natürlichen Einstellung« – Charakter, Handlung,<br />

Kausalität, Logik und Sprache als Mittel der Verständigung – und drückt den<br />

Verlust der moralischen Integration der Gesellschaft in der Zertrümmerung der schönen<br />

Formen der Literatur aus. Statt dessen herrschen nun die Formen der Satire in<br />

Gestalt des Grotesken, des Deformierten, des Exzesses, des Schocks, der Desintegration<br />

und des Häßlichen.<br />

Nichts furchtet die moderne Literatur deshalb mehr, als schön zu sein: Sie geriete<br />

sofort unter den Verdacht, bestechlich – d.h. kitschig – zu werden. Aber – an dieser<br />

Feststellung geht kein Weg vorbei – moderne Literatur zu lesen ist deshalb anstrengend<br />

und <strong>man</strong>chmal deprimierend.<br />

Andererseits: Die ältere Literatur ist zwar schön, aber da sie sich auf eine vergangene<br />

Gesellschaft bezieht, vermag sie gegenwärtige Erfahrungen nur unzureichend<br />

auszudrücken.

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