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Bildung - Alles, was man wissen muss

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DAS HAUS DER SPRACHE 411<br />

chende Sprache mit ihrem Vokabular. Hat <strong>man</strong> keinen Zugang zu der passenden<br />

Sprache, ist einem ein Teil der Gesellschaft verschlossen. Wer aber im Haus der Sprache<br />

wohnt, hat Zutritt zu allen gesellschaftlichen Sphären: Er schließt sich prinzipiell<br />

von keiner aus, weil er sich von keiner Erfahrung ausschließt. Das heißt nicht, daß er<br />

in allen ansässig ist: So wenig, wie <strong>man</strong> mehrere Wohnungen gleichzeitig bewohnen<br />

kann, kann <strong>man</strong> gleichzeitig Ministerialdirektor, Schauspieler und Kranführer sein.<br />

Aber <strong>man</strong> behält sich vor, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und sich ohne Probleme<br />

und Befangenheit mit ihnen zu verständigen. Dasselbe gilt für alle Situationen und<br />

Gelegenheiten vom <strong>wissen</strong>schaftlichen Kongreß bis zum Betriebsfest. Dabei imitiert<br />

<strong>man</strong> nicht immer die dort üblichen Sprachen, so wenig wie <strong>man</strong> im Verkehr mit<br />

Jugendlichen gleich in Jugendjargon verfällt, wenn <strong>man</strong> schon selbst die 40 erreicht<br />

hat. Aber <strong>man</strong> stellt sich sprachlich auf sie ein und redet nicht über ihre Köpfe hinweg.<br />

Man verleugnet nicht seine Identität, aber vollzieht mit dem Wechsel der Stillagen<br />

den Rollenwechsel. Wer sprachlich eingeschränkt ist, ist sozial behindert.<br />

Sprache drückt also Identität aus. Identität ist keine Rolle, sondern der Stil, in dem<br />

jede Rolle gespielt wird. Stil nannte <strong>man</strong> in der Kunst der Renaissance auf Italienisch<br />

»<strong>man</strong>iera«: das war dasselbe Wort, mit dem <strong>man</strong> auch Manieren bezeichnete. Die Manieren<br />

kennzeichnen den Stil, mit dem <strong>man</strong> sich selbst darstellt. Beide – Stil und Manieren<br />

– lassen das, <strong>was</strong> künstlich ist, wie natürlich erscheinen. Das gilt auch für die<br />

Sprache: Was mühsam eingeübt wurde, muß nachher wie eine zweite Natur erscheinen.<br />

Die Anstrengung muß deshalb hinter dem Eindruck der Leichtigkeit verborgen<br />

bleiben. Die Beherrschung der Sprache in jeder Stillage gilt als selbstverständlich.<br />

Das begründet das erste Gebot der Sprache:<br />

Thematisiere nie den Unterschied zwischen dem Sprachniveau deines Gesprächspartners<br />

und deinem eigenen (»Ich kann leider nicht so geschwollen schwätzen wie<br />

Sie«, oder »Verzeihung, können Sie mir das Wort erklären, ich bin leider nicht so gebildet«),<br />

und klage ihn nie des sprachlichen Terrorismus an, etwa indem du ihn des<br />

Imponiergehabes oder des Versuchs verdächtigst, dich zu erniedrigen. Wenn der Verdacht<br />

nicht stimmt, gibst du zu erkennen, daß du sprachlich überfordert bist; wenn er<br />

stimmt, tust du das auch, und außerdem hat dein Gegner sein Ziel erreicht. Auf jeden<br />

Fall ist es peinlich, nicht weil dein Gesprächspartner sich erwischt fühlt, sondern weil<br />

er plötzlich bemerkt, daß er es mit einem sprachlich und kulturell unsicheren Menschen<br />

zu tun hat, den er vorsichtig behandeln muß. Auch wenn du sprachlich noch so<br />

leidest: Parodiere höchstens den Sprachgestus des Gegenüber, übertreibe ihn, unterlaufe<br />

ihn, aber thematisiere ihn niemals.<br />

Kommt es aber tatsächlich häufiger vor, daß du dich sprachlich unsicher fühlst,<br />

gibt es Problembereiche, um die du dich kümmern solltest. Im folgenden werden die<br />

wichtigsten genannt.

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