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Bildung - Alles, was man wissen muss

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294 WISSEN<br />

eine unendliche Reihe komplizierter Vermittlungsschritte, die <strong>man</strong> erst durchlaufen<br />

müßte, wollte <strong>man</strong> das Bild richtig verstehen. Die Direktheit des sinnlichen Eindrucks<br />

täuscht. Man weiß gar nicht, <strong>was</strong> <strong>man</strong> sieht. Und beim zweiten Blick sieht<br />

<strong>man</strong> dann noch, daß das Bild selbst diesen Widerspruch abbildet: Der unmittelbare<br />

Eindruck der Gestalt des Heiligen Vaters, der durch die sinnliche Qualität des Stoffes<br />

seines Gewandes unterstrichen wird, kontrastiert mit der eigentlichen Funktion des<br />

Papstes im Plan der Dinge: Als Stellvertreter Christi auf Erden ist er in demselben<br />

Sinne der Mittler zwischen Gott und den Menschen wie die Schrift zwischen dem<br />

Geist und dem Leser. Und just diesen Mittler stellt Sebastiane im Modus der sinnlichen<br />

Unmittelbarkeit dar.<br />

Es ist dieser ungelöste Widerspruch, der Widerspruch zwischen der Unmittelbarkeit<br />

der Wahrnehmung und der Mittelbarkeit des Wissens über die Bildersprache, der<br />

das Tor zum Verständnis der Kunst eröffnet.«<br />

Praxi hatte seinen Vortrag unvermittelt abgebrochen, denn auf dem Bildschirm<br />

war plötzlich das rechte von den beiden Zwillingsbildern verschwunden. An seine<br />

Stelle war ein deutliches Bild der Cafeteria getreten.<br />

Das Museum und die Mona Lisa<br />

Im nächsten Raum war es, abgesehen von einem erleuchteten Quadrat an der Wand,<br />

völlig dunkel. In diesem Quadrat war die Projektion eines Gebäudes mit klassizistischem<br />

Giebel und einer ebensolchen Säulenfront zu sehen, das wie ein griechischer<br />

Tempel aussah. Darunter konnte <strong>man</strong> die Inschrift »Museum« lesen. Neben der Projektion<br />

erklärte je<strong>man</strong>d die Bilder. Wir waren mitten in einen Diavortrag geplatzt und<br />

ließen uns vorsichtig nieder.<br />

»… so wie die Kirche ein Haus Gottes ist«, sagte der Vortragende, »ist das Museum<br />

die Wohnung der Kunst. Dort kann <strong>man</strong> sie besuchen. Aber sie hat dort nicht immer<br />

gewohnt. Das Museum ist nämlich eine Erfindung des Bürgertums, und es entsteht in<br />

der Französischen Revolution. Am ersten Jahrestag der Enthauptung Ludwigs XVI.<br />

wird der Louvre 1793 als erstes Museum eröffnet.«<br />

Es erschien ein Bild des Louvre.<br />

»Das Museum beerbt die Monarchie. Bis dahin hingen Gemälde in adligen<br />

Sammlungen, die nur den Oberschichten, aber nicht dem allgemeinen Publikum zugänglich<br />

waren. Die Revolution revolutionierte auch die Kunst. Und erst kurz vor<br />

der Revolution im 18. Jahrhundert ist das Bild als Einzelwerk erfunden worden. In<br />

der Zeit davor ist es Teil der Raumdekoration und diente einem Zweck. Es entsprach<br />

also eher unserer Tapete. Das zeigte sich auch daran, daß die Bilder in den adligen<br />

Sammlungen nicht als Einzelstücke aufgehängt wurden.«<br />

Es erschien das Bild einer Bildersammlung, bei der die Bilder so dicht gedrängt

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