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Bildung - Alles, was man wissen muss

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ZUR GESCHICHTE DER GESCHLECHTERDEBATTE 365<br />

holt alles Leben vernichteten und Gott veranlaßten, immer wieder neue Arten zu<br />

schaffen. Das hatte den Vorteil, daß <strong>man</strong> die Wissenschaft (bei et<strong>was</strong> Gewürge) mit der<br />

Bibel und ihren Katastrophenberichten in Übereinstimmung bringen konnte und die<br />

Vorstellung nicht aufgeben mußte, daß der Mensch wie alle Arten direkt der Hand<br />

Gottes und nicht den Lenden eines et<strong>was</strong> klügeren Schimpansen entstammte. Die<br />

Anhänger des Konzepts verschiedener Arten und die Propagandisten der Idee der<br />

Entwicklung gehörten also verschiedenen Lagern an, und solange nicht beide Begriffe<br />

kombiniert wurden, war die Evolutionstheorie blockiert.<br />

Darwin gelang der Durchbruch deshalb, weil er ein <strong>wissen</strong>schaftlicher Außenseiter<br />

war (er hatte Theologie studiert und war Hobby-Biologe) und deshalb von der<br />

Kontroverse gar nicht berührt wurde. Außerdem dachte er interdisziplinär: Auf der<br />

Fahrt zu den Galapagos-Inseln las er den Ökonomen Thomas Malthus, der feststellte,<br />

daß die Bevölkerung immer schneller wuchs als die Nahrungsmittelreserven und daß<br />

deshalb die Armenfürsorge nur die Armutsgrenze hinausschieben, aber niemals die<br />

Zahl der Armen beseitigen konnte. Als Darwin auf Galapagos an Land ging, sah er die<br />

Fülle der Arten mit Malthus’ Augen und rief »heureka!«: Er hatte den Druck an der<br />

Wachstumsgrenze der Population als Ausleseprinzip für das Überleben der bestangepaßten<br />

Arten entdeckt.<br />

Was an der Evolutionstheorie so schwer zu akzeptieren ist, ist nicht nur unsere<br />

Verwandtschaft mit den Affen, obwohl das eine erhebliche Kränkung der Eigenliebe<br />

darstellt. Aber hinzukommt, daß <strong>man</strong> sich einen subjektlosen Prozeß, der nicht geplant<br />

ist und kein Ziel hat, aber dennoch nicht chaotisch und unordentlich ist,<br />

schlechterdings nicht vorstellen konnte. Es gab bis zu Darwin das berühmte Argument<br />

von Paley’s Uhr. Paley war ein Theologe, der die Überlegung angestellt hatte,<br />

daß, wenn <strong>man</strong> bei einem Waldspaziergang plötzlich eine Uhr finden würde, <strong>man</strong><br />

denknotwendig auf einen Uhrmacher schließen müsse. Und schließlich hatte Newton<br />

nachgewiesen, daß die Welt ein Mechanismus wie eine Uhr war. Also gab es einen<br />

Gott, und wenn er auch einem Uhrmacher glich, so war <strong>man</strong> doch froh, ihn<br />

überhaupt retten zu können.<br />

Darwins Idee von einem Prozeß, der ohne Planer auskam, weil er sich selbst<br />

steuerte, ruinierte deshalb die letzte Hoffnung der Theologen. Die Idee eines sinnvollen<br />

Weltplans und eines Ziels der Naturgeschichte erwies sich als überflüssig.<br />

Auch der Mensch verwandelte sich aus der Krone der Schöpfung in ein Übergangsstadium<br />

voller Mängel und Unvollkommenheiten, ein Produkt der Umstände und<br />

des Zufalls, ein besserer Affe im Vergleich zu dem Übermenschen, der noch kommen<br />

konnte.<br />

In Wirklichkeit reproduziert sich das Leben ohne Planer durch Sex. Die beiden<br />

Partner hießen Chaos und Ordnung. Sie bildeten die erste Differenz. Als es – durch

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