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Bildung - Alles, was man wissen muss

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134 WISSEN<br />

1660, gedauert. Sie hat es nicht geschafft, eine richtige Verfassung zu finden. Der<br />

Gegensatz zwischen gemäßigtem Parlament und radikal-puritanischem Heer blieb<br />

ungelöst. Cromwell mußte schließlich unter dem Titel Lord Protector quasi als Militärdiktator,<br />

als ein früher Napoleon, regieren. Als er starb, wurde aus Frankreich Charles’<br />

Sohn Charles II. geholt. Unter ihm und seinem Bruder, James II., kommt es zwischen<br />

1660 und 1688 zur Restauration.<br />

Kulturelle Folgen der englischen Revolution<br />

Aber trotzdem hat das Commonwealth tiefe Spuren hinterlassen. Als erstes die Erfahrung:<br />

Es geht auch ohne König. Das war eine demokratische Urerfahrung. Plötzlich<br />

haben viele Leute in Komitees, Milizen und Vereinigungen an der Verwaltung mitgewirkt<br />

und politische Erfahrungen gewonnen.<br />

Während des Commonwealth herrschte die Sittenstrenge der regierenden Puritaner.<br />

Der Luxus wich der Einfachheit, der Müßiggang der ständigen Arbeit, Sport war<br />

verboten, die Theater blieben geschlossen, die Wirtshäuser wurden es jetzt (daher die<br />

wahnsinnigen Öffnungszeiten bis heute), der Gottesdienst war Pflicht, die Bibellektüre<br />

wurde zur Hauptbeschäftigung, und die Askese der Mönche wurde im Alltag zur<br />

methodischen Lebensführung, bei der alles dem Zwecke diente, die Zeit sinnvoll zu<br />

nutzen und sie nicht in Müßiggang zu verschwenden. Natürlich züchtete das eine<br />

Mentalität der Selbstüberwachung durch ein schlechtes Ge<strong>wissen</strong>. Es war die Geburtsstunde<br />

einer masochistischen Disziplin, in der die innerweltliche Askese zur Arbeitsethik<br />

der modernen industriellen Welt wurde. Ohne Puritanismus sähe der Kapitalismus<br />

anders aus.<br />

Ohne Puritanismus wäre England nicht zum Vorreiter der Modernisierung geworden.<br />

Ohne Puritanismus hätte Amerika sich anders entwickelt. Will <strong>man</strong> die Extremformen<br />

des Christentums vergleichen, vergleiche <strong>man</strong> den Katholizismus in Rio de<br />

Janeiro mit dem Protestantismus in Providence.<br />

Die protestantische Mentalität ist durch ständige Selbstprüfung und Selbstkontrolle<br />

bestimmt (das disponiert heute die Amerikaner für die Psychoanalyse). Der<br />

Gerichtshof der Kirche wandert nach innen und wird zur ständigen Prüfung des<br />

Ge<strong>wissen</strong>s. Als einzige Richtschnur des Handelns wird es zum Quälgeist, aber auch<br />

zur Kraftquelle der Unabhängigkeit gegenüber Autoritäten. Die Abschaffung der<br />

Beichte wird kompensiert durch öffentliche Sündenbekenntnisse. Da die Selbstbeobachtung<br />

das eigene Leben zum Exerzierfeld ständiger Bewährung und Prüfung<br />

macht, inszenieren Puritaner ihre Selbstreflektion gern um ein dramatisches Erwekkungserlebnis.<br />

In ihm beginnt <strong>man</strong> ein neues Leben, <strong>man</strong> schlägt ein neues Blatt auf<br />

und bekommt eine zweite Chance. Das begründet die amerikanische Neigung zu

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