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Bildung - Alles, was man wissen muss

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454 KÖNNEN<br />

seln fest, das das Image der Deutschen in Großbritannien so nachhaltig eingefärbt hat,<br />

daß es bis heute prägend geblieben ist.<br />

Eine weitere Vorschrift besagt, daß zum zivilisierten Menschen der Humor gehört.<br />

Das hat nichts mit der deutschen Vorstellung von staatlich genehmigtem Massenfrohsinn<br />

zu tun, bei dem <strong>man</strong> sich gegenseitig die Ellbogen in die Rippen stößt<br />

und die Witze wie beim Mainzer Karneval durch einen Tusch einen Genehmigungsstempel<br />

erhalten. Humor ist vielmehr die Fähigkeit, indirekt zu reden und sich dabei<br />

selbst zu relativieren, indem <strong>man</strong> sich in ein komisches Licht taucht. Er ist ein Gegenmittel<br />

gegen die eigene Wichtigkeit, und er ist eine Art Zentrifuge der Lächerlichkeit,<br />

durch deren Umdrehungen das Wichtige vom Albernen geschieden wird. Er ist das<br />

Immunsystem der Urteilskraft und ein Ortungsinstrument für unlösbare Widersprüche<br />

und Paradoxien. Als solches gehört er zur Demokratie, weil diese selbst auf einer<br />

Paradoxie beruht: »we agree to disagree« (wir haben uns geeinigt, uns zu streiten). Die<br />

Einigkeit des Gemeinwesens wird auf den dauernden Streit gegründet. Fanatiker und<br />

Ideologen geraten vor Paradoxien in Panik; deshalb wurde der Humor zur Fähigkeit,<br />

unlösbare Widersprüche auszuhalten, ohne durchzudrehen. Kurzum, der Humor<br />

markiert als Wellenbrecher für Ideologien die demokratische Einstellung par excellence<br />

(vor allen anderen).<br />

Humor ist also alles andere als eine britische Marotte oder Ausdruck einer liebenswerten<br />

britischen Exzentrizität, die in den Bereich der Folklore gehört. Er ist die<br />

Form der Demokratie selbst, wenn sie eine Person wäre. Weil Großbritannien die Demokratie<br />

erfunden hat, hat es auch den Humor erfunden, und so läuft über ihn der<br />

Weg zum Herzen der Briten. Hat <strong>man</strong> Humor, wird fast alles andere zweitrangig.<br />

Diese Selbstrelativierung signalisiert auch die Fähigkeit zur Selbstkritik. Beide<br />

dürfen aber nicht als Zeichen <strong>man</strong>gelnden Selbstbewußtseins ausgelegt werden: Im<br />

Gegenteil, sie belegen geradezu ein Maß an Unerschütterlichkeit und grundsätzlicher<br />

Selbstübereinstimmung, das unsichere Menschen leicht demoralisieren kann.<br />

Diese Selbstsicherheit wird gestützt durch eine nahezu ungebrochene nationale<br />

Identität. Wie in den USA ist sie das Ergebnis einer langen Erfolgsgeschichte des Landes.<br />

Sie hat zu einer kollektiven Identifikation mit Werten geführt, die <strong>man</strong> für<br />

typisch britisch hält, und die <strong>man</strong> glaubt, in vielen Kriegen verteidigt zu haben: Freiheit,<br />

Demokratie, fair play und die Zivilisation überhaupt.<br />

Diese Überzeugung bedingt eine milde Hochnäsigkeit, gepaart mit dem Desinteresse<br />

an allem, <strong>was</strong> nicht britisch ist. Mit zwei Ausnahmen: Frankreich, weil es der<br />

einzige ernsthafte Rivale im Wettbewerb der Zivilisationen war, und die USA, die ein<br />

bißchen so gesehen werden wie von Hamburger Patriziern die Oberbayern: nämlich<br />

als herzerfrischende Komiker mit einem irren Akzent.<br />

Was die Deutschen betrifft, so dürften die Briten diejenigen sein, die die nachhal-

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