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Bildung - Alles, was man wissen muss

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474 KÖNNEN<br />

gen den Auftrag eines Tyrannen nicht auszuführen, ist immer gefährlich. Wenn er<br />

doch die Krone einschmelzen und in einen Maßtiegel gießen könnte! Er tat es immer<br />

wieder in Gedanken und stellte sich vor, wie viel von dem Tiegel sie füllen würde.<br />

Er war noch mit dem Problem beschäftigt, als er geistesabwesend in seine Badewanne<br />

stieg. Da fiel ihm auf, daß sich das Bade<strong>was</strong>ser in dem Maße hob, wie er seinen<br />

Körper hineinsenkte. Daraufhin rief er »heureka!« und sprang aus dem Wasser. Er hatte<br />

die Lösung gefunden; <strong>man</strong> brauchte die Krone nicht einzuschmelzen, das verdrängte<br />

Wasser war gleich dem Volumen des Gegenstandes, den <strong>man</strong> hineinsenkte.<br />

In Archimedes’ Kopf hatten sich zwei bisher getrennte Kontexte aufgrund eines<br />

gemeinsamen Elements kurzgeschlossen: Archimedes hatte auch vorher gewußt, daß<br />

sich der Wasserspiegel in seinem Bad hob, wenn er einstieg, aber das war eine Beobachtung,<br />

die mit dem spezifischen Gewicht von Gold und Silber und ähnlichen Problemen<br />

nichts zu tun hatte. Doch plötzlich, aufgrund des unangenehmen Auftrages,<br />

wurden beide Vorstellungsbereiche blitzartig miteinander verbunden, und der eine<br />

lieferte die Problemlösung für den anderen. Koestler nennt das einen »bisoziativen<br />

Akt«. Er wird häufig als »Fulguration«, als plötzlicher Geistesblitz erlebt. Es zündet ein<br />

Funke, und es fällt ein Groschen. Ein gewaltige Menge von Erfindergeschichten bestätigt<br />

diese Beschreibung, und letztlich verdanken sich auch kühne Metaphern und<br />

Witze, genauso wie Erfindungen dieser Fähigkeit des Geistes zur Bisoziation.<br />

Das beste Klima für die Entladung bisoziativer Geistesblitze scheint dann zu entstehen,<br />

wenn der Ideenfluß richtig in Gang kommt. Die Fähigkeit dazu scheint die<br />

wichtigste Komponente der Kreativität zu sein. Hierzu gehört die Begabung, das brodelnde<br />

Chaos des eigenen Unterbewußten anzuzapfen. Der Psychologe Ernst Kris,<br />

der wesentliches zur Erforschung der Kreativität von Künstlern beigetragen hat,<br />

spricht in diesem Zusammenhang von der »Regression im Dienste des Ichs«. Das paßt<br />

zum Konzept von der Zusammenarbeit zwischen divergentem Denken und Kritik:<br />

Das Unbewußte liefert die wilden Einfälle, das Ich sucht aus. Diese Regression im<br />

Dienste des Ichs hat <strong>man</strong> zur sozialen Technik erhoben, als <strong>man</strong> auf die Methode des<br />

Brainstorming verfiel. Andere Strategien sind die Verkehrung ins Gegenteil, das Zu-<br />

Ende-Denken bis zum Umschlag ins Absurde, der Wechsel der Ausgangsposition und<br />

vor allem die Suche nach Analogien und Strukturgleichheiten. Damit das Ich aber<br />

seinen Eignungstest noch gegenüber der abwegigsten Idee durchführen kann, muß es<br />

von dem Problem geradezu besessen sein. Es genügt nicht, daß es sich nur flüchtig mit<br />

ihm beschäftigt; es muß sich bis in die Poren mit ihm angereichert haben und an<br />

nichts anderes mehr denken. Nur dann bringt es auch die aberwitzigsten Ideen mit<br />

ihm in Verbindung. Und damit haben wir auch eine weitere Komponente der Kreativität:<br />

die Fähigkeit, nicht nur Naheliegendes zu sehen, sondern weit auseinanderliegende<br />

Bezüge unter einen Gesichtspunkt zu bringen, oder »to bring things together«.

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