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Bildung - Alles, was man wissen muss

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DIE GESCHICHTE DER MUSIK 321<br />

dert erfand lauter Einrichtungen, die die Musik zugleich vermarkteten und heiligsprachen:<br />

den Verleger, den Musikkritiker, den Virtuosen und die Idee, daß Musik ein<br />

Kunstwerk sei, das deshalb nicht unterhalten dürfe. Kurz, <strong>man</strong> erfand den bürgerlichen<br />

Musikbetrieb. In ihm erlitt die Musik ein ähnliches Schicksal wie das Bild der<br />

Frau: sie war entweder Hure oder Heilige. Dem entsprach die Teilung in E- und U-<br />

Musik. Mozarts Zauberflöte ist das letzte Musikstück, das sich mit dem Edelpaar Tamino<br />

und Pamina der Moral widmet, aber mit Papageno und Papagena, den beiden<br />

schnuckeligen Paradiesvögeln, den Spaßfaktor nicht vernachlässigt.<br />

Zudem lastete der Nachlaß Beethovens schwer auf dem musikalischen Nachwuchs.<br />

Er hat im Alleingang alles gesagt, <strong>was</strong> mit einer Sinfonie zu sagen war. Das<br />

löste die Suche nach neuen Formen und den Kampf zwischen Erneuerern und Bewahrern<br />

aus. Als Bewahrer wurde von der Kritik Johannes Brahms (1833-1897) angesehen,<br />

der allerdings selbst darunter litt, daß sich seine Sinfonien anhörten wie die<br />

von Beethoven. Von seiten der Erneuerer wurden verschiedene Lösungen angeboten.<br />

Eine davon war die Programm-Musik. Statt sich an formale Modelle zu halten<br />

wie die Sonatenform, wurden Geschichten erzählt. Außermusikalische Inhalte bestimmten<br />

den Ablauf der Musik. Hier wurde gewissermaßen die Filmmusik erfunden,<br />

bevor es den Film gab. Der Prototyp der Programm-Musik ist Hector Berlioz’<br />

(1803–1869) Symphonie fantastique, die den Liebeskummer und den Drogenrausch eines<br />

ro<strong>man</strong>tischen Jünglings beschreibt; Ähnlichkeiten mit Erlebnissen des Komponisten<br />

sind da nicht zufällig.<br />

Franz Liszt (1811–1886) entwickelte die sinfonische Dichtung und versuchte sich<br />

an einer Faust-Sinfonie. Auf die Spitze trieb es Richard Strauss (1864–1949), der von<br />

sich behauptete, er könne das Einschenken von Bier in ein Glas so in Musik übersetzen,<br />

daß <strong>man</strong> auch die Biersorte erkennen könne. Die Schwäche dieses Konzepts ist<br />

offensichtlich. Da Instrumentalmusik nun mal ohne erklärende Worte auskommen<br />

muß, muß <strong>man</strong> das außermusikalische Geschehen kennen, um zu verstehen, worum<br />

es geht. Ohne dieses Wissen bleibt die Musik eine Abfolge von lauten und leisen,<br />

schnellen und langsamen, lyrischen und dramatischen Momenten, deren Zusammenhang<br />

nur Fragezeichen hinterläßt.<br />

Für Robert Schu<strong>man</strong>n (1810-1856) wurde das künstlerische Leben selber zum<br />

Programm. Die wichtigste außermusikalische Erfahrung war für ihn die Poesie, sein<br />

Künstlervorbild Jean Paul. Doch er ruinierte seine virtuose Karriere als Pianist durch<br />

einen wenig poetischen Unfall, der eines Tristram Shandy würdig gewesen wäre: Er<br />

baute sich einen Apparat zur Stärkung des Ringfingers und zog sich durch ihn eine<br />

chronische Sehnenzerrung zu. Dann heiratete er die Pianistin Clara Wieck, nicht<br />

ohne vorher sich mit ihrem Vater gerichtlich auseinanderzusetzen. Clara Schu<strong>man</strong>n<br />

war eine erstaunliche Frau. Sie war eine angesehene Pianistin, komponierte selbst und

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