Exkursionsbericht - Tropenstation | La Gamba
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Michaela Seiz, Birgit Wondratsch<br />
Interaktionen zwischen Pflanzen und Tieren<br />
In seinem Buch „The Naturalist in Nicaragua“ hat Thomas Belt festgestellt, dass die ausgeprägtesten<br />
Formen des Mutualismus in den Tropen zu finden sind.<br />
Die gegenseitige Abhängigkeit geht in einigen Fällen so weit, dass beide Partner getrennt voneinander<br />
nicht mehr lebensfähig sind. Wir wollen diesen Fall an Hand von zwei Beispielen erläutern.<br />
ACACIA SP. UND PSEUDOMYRMEX SP.<br />
Die zu der Familie der Fabaceae gehörige Gattung Acacia umfasst mehr als 700 Arten. Besonders<br />
verbreitet ist sie in den Tropen und Subtropen, wo sie häufig an gestörten Standorten wie Flussufern,<br />
Viehweiden oder auf gerodeten Flächen zu finden ist. Die Blätter sind paarig gefiedert und die zu<br />
Köpfchen, Trauben oder Ähren vereinigten, winzigen Blüten verfügen über auffällige Staubgefäße.<br />
Sie verbreiten oft einen starken Duft, der Bienen anlockt.<br />
Der Naturforscher Thomas Belt (1832 – 1878) stellte bereits 1874 fest, dass bestimmte Akazienarten<br />
regelmäßig von Ameisen bevölkert werden.<br />
Acacia-Arten benötigen volles Sonnenlicht und wachsen besonders schnell. Interessant für uns sind<br />
Arten, deren Nebenblätter (Stipeln) zu mehreren Zentimeter langen, stark angeschwollenen, an Büffelhörner<br />
erinnernden Hohldornen umgewandelt sind. In ihnen wohnen und brüten häufig Ameisen,<br />
speziell Pseudomyrmex ferroginea, die nach Janzen in mindestens fünf Spezies der Acacia (A. chiapensis,<br />
A. collinsii, A. cornigera, A. hindsii, A. sphaerocephala) zu finden sind. Diese Wohnräume in<br />
Ameisenpflanzen werden Domatien genannt.<br />
Die jungen Akazien werden durch eine Königin besiedelt. Sie beißt unterhalb der Spitze des jungen,<br />
noch nicht verholzten Dorns ein Eingangsloch, entfernt das Hohlraummaterial und legt 15 – 20 Eier.<br />
Im Hohlraum des Dorns ist sie geschützt, während die erste Brut schlüpft und die Arbeiterpopulation<br />
sich mit rapider Geschwindigkeit vermehrt. Bei schlechter Witterung verschließt eine Arbeiterin das<br />
Eingangsloch mit dem Kopf. Die Brutzeit dieser Spezies ist relativ kurz, und die Anzahl der Ameisen<br />
steigt innerhalb von zwei Jahren auf bis zu 1.100 an. Auch mehrere benachbarte Pflanzen können von<br />
einem großen Volk bewohnt werden. Seltener bewohnen auch zwei verschiedene Kolonien einen<br />
Baum, jedoch in verschiedenen Domatien.<br />
Abgesehen vom Wohnraum bietet die Acacia ihren Bewohnern auch Nahrung. So scheiden zahlreiche<br />
extraflorale Nektarien (Nektarien auf den Blättern, den Sprossachsen oder den Deckblättern) auf der<br />
Mittelrippe der Fiederblätter Nektar aus, der das Grundnahrungsmittel der Ameisen darstellt. Spezielle<br />
gelbgefärbte proteinreiche Fortsätze an der Spitze der Blattfiedern – nach ihrem Entdecker „Belt’sche<br />
Körperchen“ benannt – dienen der Ernährung der Brut.<br />
<strong>La</strong>nge Zeit war man sich nicht sicher, ob nun die Pflanze im Gegenzug Nutzen aus ihren Bewohnern<br />
zieht. Es gab zwei Theorien: Die von Belt begründete Meinung, dass die Ameisen die Pflanze gegen<br />
ihre natürlichen Feinde verteidigen und ihr somit nutzen, stand im Gegensatz zu der, durch Skwarra<br />
und Wheeler vertretenen Meinung, dass nur die Ameisen von dieser Gemeinschaft profitieren. Mit<br />
Belts Studien der Ameisenakazien begannen die ersten ernsthaften Nachforschungen über Myrmekophyten.<br />
Die Tatsache, dass im <strong>La</strong>ufe der Evolution Hohldornen, Belt’sche Körperchen und extraflorale<br />
Nektarien als Vorrichtungen zum Wohlergehen der Ameisen entwickelt wurden, untermauerte<br />
Belts These.<br />
Erst Janzen wies in einem Feldversuch nach, dass hier tatsächlich ein Mutualismus vorliegt. Er entfernte<br />
die Ameisen durch Sprühen mit Parathion und Entfernen der Dornen oder ganzer bewohnter<br />
Äste, so dass kein Schutz mehr durch sie gewährleistet war. Nun wurde die Akazie von pflanzen- fressenden<br />
Insekten und Säugetieren beschädigt, von konkurrierenden Pflanzen überwachsen und beschattet<br />
und Käferlarven zerstörten die Sprösslinge. Vergleichsbäume, die von den Pseudomyrmex<br />
bewohnt wurden, erwiesen sich als wesentlich langlebiger. Belt bezeichnete die Ameisen als die<br />
Armee der Acacia – aggressiv wehren sie erfolgreich Fressfeinde ab, attackieren junge Triebe und<br />
Blätter von Schlingpflanzen, bis diese absterben, und kappen sogar Zweige benachbarter Gewächse in<br />
einem Radius von bis zu 40 cm um die Baumkrone. Bis zu einem Viertel der Ameisenpopulation<br />
patrouilliert Tag und Nacht an der Pflanzenoberfläche und säubert und verteidigt diese. Da brennbares<br />
Pflanzenmaterial in der Nähe der Akazie fehlt, wird sie sogar von Buschfeuern weniger stark beschädigt.<br />
Man ist gut beraten, nicht unbedacht an einer Akazie anzustreifen und den Zorn ihrer Bewohner<br />
auf sich zu ziehen, da ihre Bisse sehr schmerzhaft sein können. Sie reagieren schon bei dem geringsten<br />
Hinweis auf einen Störenfried.<br />
Auch in der Trockenzeit behalten Ameisenakazien das ganze Jahr über ihr <strong>La</strong>ub, wodurch die dauerhafte<br />
Bindung der Ameisen gewährleistet ist.<br />
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