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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Fellmütze. An Kleidung trug ich nur derbe Sachen. Etwas zu essen hatte ich<br />

noch in der Aktentasche.<br />

Gegen 19 Uhr fuhr der Zug donnernd ein. Wir eilten zum vorderen Teil,<br />

wo sich im allgemeinen die Wehrmachtswagen befanden. Da diese aber<br />

ganz vorne schon außerhalb des Bahnsteigs und daher völlig im Dunkeln<br />

standen, mussten wir auf gut Glück in irgendeinen Wagen einsteigen, unter<br />

den wir dann später kriechen würden. Ich muss gestehen, langsam ergriff<br />

mich Spannungsfieber, und ich war froh, dass wir noch eine Reise von 2½<br />

Stunden bis Bayonne vor uns hatten. Als der Zug anfuhr, sah ich noch einmal<br />

hinaus, und diesmal glaubte ich wirklich, Bordeaux zum letzten Mal<br />

gesehen zu haben. Denn entweder ging alles gut, dann wären wir in Spanien,<br />

oder es ging schief, und dann säßen wir im Gefängnis oder noch<br />

schlimmer… Aber das Sprichwort: „Es kommt immer anders als man<br />

denkt“, bewies seine Gültigkeit.<br />

Die Zeiger meiner Taschenuhr standen nun auf 21:45 Uhr, als wir endlich<br />

in Bayonne einfuhren. Der Wagen war völlig finster, und so gingen wir<br />

als allerletzte aus dem Abteil, um dann auf der dem Bahnsteig abgewandten<br />

Seite auszusteigen und ungesehen hinunter kriechen zu können. Vorsichtig<br />

stiegen wir also auf der verkehrten Seite aus, ohne gesehen zu werden. Es<br />

war stockfinster um uns her. Abraham lief vor, ich dicht hinter ihm. Da<br />

waren wir auch schon unter dem Zug.<br />

Wir wussten, wo unsere Plätze waren, und versuchten, auf die Stangen<br />

zu klettern. Aber ich merkte sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.<br />

Mit dem Rücken lag ich schon, aber es war kein Platz für den ganzen Körper,<br />

und ich konnte die Beine nicht heraufziehen, weil der Abstand zwischen<br />

dem ausgesuchten Platz und dem Boden des Waggons zu klein war.<br />

Ich stieß mit dem Kopf gegen Stangen und ziemlich aufgeregt wollte ich<br />

mich irgendwie dazwischen klemmen. Aber ich sah ein, dass wir so nicht<br />

weiter kämen und erinnerte mich noch rechtzeitig, dass der Aufenthalt des<br />

Zuges sogleich abgelaufen sein musste. Daher sagte ich zu Abraham, dass<br />

wir es aufgeben müssten.<br />

Er wollte nichts davon wissen. Aber ich sprang, ohne viel nachzudenken,<br />

unter dem Wagen hervor auf den Bahnsteig, sodass er wohl oder übel<br />

folgen musste. Die Mütze vom Kopf herunter und die Fausthandschuhe aus<br />

war eine blitzschnelle Handlung, denn wie leicht konnte man uns für sogenannte<br />

Terroristen halten, die irgendeinen Sabotageakt verüben wollten.<br />

Wir gingen noch am Speisewagen vorbei, und ich sagte, dass wir es hier<br />

hätten probieren müssen, weil der so gebaut war, wie ich es im Kopf hatte.<br />

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