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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Tage, an denen unsere Kolonne in zwei Gruppen geteilt war, und ich blieb<br />

bei der Gruppe in der Garage, während die andere am Bahnhof arbeitete.<br />

Und der Wachtposten, ein alter Landser, ging mit der Gruppe zum Bahnhof.<br />

Nun konnte ich, ohne weiteres, in einem unbewachten Augenblick aus der<br />

Garage wegspazieren, obwohl das Risiko bestand, dass mich einer der Soldaten,<br />

die sich in der Garage befanden, dabei erwischen konnte. Doch das<br />

Klosett bot eine Möglichkeit, um unbemerkt zu flüchten. Aber wohin?<br />

Ohne Geld, ohne Papiere? Auch dafür fand ich eine Lösung: Jener Abgeordnete,<br />

mit dem ich Holz gesägt hatte, wohnte etwa 12 km von Bayonne<br />

entfernt und gab mir verschiedene Adressen, wo man mir weiterhelfen<br />

würde. Doch musste ich mich dann bis abends in Bayonne aufhalten, um,<br />

wenn es dunkelte, mich auf die Landstraße wagen zu können.<br />

Ich war halb entschlossen zu flüchten, aber so richtig begeistert war ich<br />

nicht. Zwar hatte ich wieder Vertrauen gefasst in meinen guten Stern, daher<br />

schalt ich mich wegen meines Zögerns. Eines Tages, wenn keine Möglichkeit<br />

mehr zur Flucht bestand, würde ich es bitter bereuen, nichts unternommen<br />

zu haben. So verging ein Tag nach dem anderen, ohne dass ich mich<br />

entschließen konnte. Der Gefängnisleitung musste mein Fall inzwischen<br />

auch komisch vorkommen.<br />

Eines Tages fragte mich der Büro-Feldwebel, ob ich schon ein ordentliches<br />

Verhör gehabt hätte. Ich sagte: „Nein“, und er antwortete: „Na, dann<br />

hat man dich sicher vergessen. Da wollen wir heute mal anrufen beim SD.“<br />

Mir fuhr ein Schreck und ein Freudegefühl gleichzeitig durch die Glieder.<br />

Vergessen! Das war doch bei den pedantischen Deutschen unmöglich!<br />

Aber es schien Tatsache zu sein. Ich saß schon Wochen in Haft und hatte<br />

bisher kein Protokoll unterschrieben.<br />

Am nächsten Tag, es war Mittwoch, der 22. März 1944, wurde ich von<br />

einem netten Rekruten, der aus Frankfurt stammte, nachmittags von der<br />

Arbeit weggeholt. Man hatte mich vorher schon telefonisch davon verständigt,<br />

dass man mich abholen würde, was den wachhabenden Offizier zu der<br />

Frage veranlasste: „Na, was hast du denn da verbrochen, dass du abgeholt<br />

wirst? Sicher Briefe hinausgeschmuggelt!“<br />

Ich war sicher, dass es das erwartete Verhör sein musste, aber da ich<br />

wirklich Briefe hinausgeschmuggelt hatte, konnte das auch der Grund sein.<br />

Dieses Mal musste ich den Weg von einem Ende von Bayonne zum anderen<br />

zu Fuß machen. Immer durch belebte Straßen, sodass ich mich halb frei<br />

fühlte. Inzwischen überlegte ich mir schnell meine vor Wochen präparierten<br />

Antworten, die ich schon halb vergessen hatte. Im Gefängnis angekommen,<br />

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