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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Ausdruck für dieses Gefühl, das einen beherrschte. Man fühlte zuerst gar<br />

nichts. Aus, dachte ich mir, aus! Jetzt hatte man alle diese Strapazen hinter<br />

sich, und nun war alles umsonst. Jetzt fehlte nur noch, dass uns eine deutsche<br />

Patrouille über den Weg lief! Dahin waren alle Illusionen, die man<br />

sich trotz allem gemacht hatte! Man dachte jetzt nur noch daran, wieder<br />

ohne Zwischenfälle nach Toulouse zu kommen. Was würde Willy für Augen<br />

machen, wenn er uns wiedersehen würde! Doch jeder hatte sich dem<br />

Unvermeidlichen zu fügen, und die Stimmung besserte sich allmählich. Der<br />

Abstieg ging schnell vonstatten. Unterwegs wurde noch einmal Rast gemacht,<br />

und dann rutschten wir die vereisten Wege hinunter. Genau 24<br />

Stunden nach unserem Start kamen wir wieder in unserer alten Hütte in der<br />

Nähe des Dorfes an.<br />

Unter den Vorsichtsmaßregeln wie zuvor kletterten wir hinauf, nachdem<br />

zwei von uns das Stroh etwas aufgeschüttelt hatten. Jeder sank auf seinen<br />

alten Platz. Viel gesprochen wurde erst nicht, denn jeder war erschöpft und<br />

hatte genug zu tun, um die Kleider zu wechseln. Erst später, nachdem man<br />

uns Essen gebracht hatte - lange nicht mehr so reichlich wie ehedem - tauten<br />

die Zungen etwas auf, und man diskutierte heftig, ob es wirklich so<br />

nötig gewesen war umzukehren und ob man nicht auf eigene Faust hätte<br />

weitermarschieren können. Der Fürsprecher dieses Plans war hauptsächlich<br />

Heinz Meyerstein. Draußen regnete es jetzt, und jeder schlief bald ein, um<br />

erst bei einbrechender Dämmerung wieder aufzuwachen.<br />

Die nun folgenden Diskussionen gingen hauptsächlich um die Zukunft.<br />

Es stand fest, dass man einen erneuten Versuch nicht binnen weniger Tage<br />

wiederholen konnte. Doch machte uns Adrian Hoffnung, indem er sagte,<br />

dass im Falle, dass das Wetter sich bessern würde, ein neuer Versuch nicht<br />

ausgeschlossen war. Aber inzwischen mussten wir zurück nach Toulouse.<br />

Aber wie zurückfahren, ohne Papiere? Wir hatten ja alles außer unseren<br />

Identitätskarten abgegeben. Diese jedoch genügten nicht, vor allem in dieser<br />

gefährlichen Grenzzone. Es wurde beschlossen, dass Herbert und Werner<br />

zuerst fahren sollten ohne Papiere. Werners Ekzem hatte sich durch den<br />

unsauberen Aufenthalt im Stroh zusehends verschlechtert.<br />

Auch bei den anderen traten kleine Reaktionserscheinungen auf. Herbert<br />

lud die allgemeine Wut auf sich, weil er allen immer wieder vorspiegelte,<br />

wie er in Toulouse Marschverpflegung holen und sich in einem Restaurant<br />

satt essen würde. Denn das Essen war so unzureichend geworden, dass wir<br />

alle fast dauernd Hunger hatten. Die beiden würden also nach Toulouse<br />

fahren, und einer würde zurückkehren und uns unsere Papiere bringen.<br />

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