Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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Zimmer für uns frei geworden, und wir schliefen dort zwei Nächte, für<br />
kurze Zeit die letzten in anständigen Betten.<br />
Am nächsten Tag mussten wir eine merkwürdige Zeremonie über uns<br />
ergehen lassen. Wir wurden am Nachmittag zu einer bestimmten Adresse<br />
geschickt, und dort musste jeder Einzelne in einem verdunkelten Raum auf<br />
einer Bibel und einer mit Davidsstern geschmückten Fahne einen Eid ablegen<br />
und Treue zu Erez Israel 32 schwören.<br />
Am Freitag begannen unsere Abenteuer wieder, nachdem wir in der<br />
Stadt unsere allerletzten Einkäufe gemacht hatten.<br />
Wir saßen wieder einmal im Zug, diesmal auf der Bahnstrecke Toulouse -<br />
Bayonne. Auch Werner Kahn war mit uns. Willy war auch noch nach Toulouse<br />
gekommen, um unsere falschen Papiere auszufüllen und um unsere<br />
letzten Angelegenheiten zu regeln. Wieder umfing ich mit einem letzten<br />
Blick das Panorama von Toulouse wie zum Abschied für ewig. Der Zug<br />
war brechend voll. Wir saßen im Gang auf unsern Gepäckstücken und sahen<br />
zum Fenster hinaus. Einige rauchten. Es dauerte nicht lange und man<br />
sah in der Ferne etwas verschleiert die Konturen der Pyrenäen. Unser Herz<br />
begann schon etwas stärker zu klopfen. Jetzt würden wir die letzten spannenden<br />
Tage vor uns haben.<br />
Ich weiß nicht, wie es im Innersten meiner Kameraden aussah, aber ich<br />
konnte mir noch nicht vorstellen, dass ich schon alles hinter mir hatte. Am<br />
Abend zuvor, kurz vor dem Einschlafen, hatte ich mir trotzdem ausgemalt,<br />
wie schön es wäre, wieder nach England und Amerika schreiben zu können<br />
und überhaupt mit allen früheren Freunden wieder in Verbindung zu treten!<br />
Es dämmerte schon bald. Im Zug ging die Notbeleuchtung an. Die Gebirgsketten<br />
waren inzwischen schon nähergerückt. Untereinander sprachen<br />
wir so wenig wie möglich. Wir wollten ja nicht unnötig auffallen, denn man<br />
wusste ja nie, wer die Mitreisenden waren. Nach ungefähr 5Viertelstunden<br />
Bahnfahrt stiegen wir an einer kleinen Bahnstation aus. Wir hatten genau<br />
die Anweisungen zu befolgen, die man uns in Toulouse gegeben hatte, und<br />
denen zufolge mussten wir unsere Gruppe auf die beiden Autobusse verteilen,<br />
die vor dem Bahnhof warteten.<br />
Wir befanden uns jetzt in der gefährlichen 40 km breiten Zone, die parallel<br />
zur spanischen Grenze verlief. Wohl hatten wir unsere Papiere, aber<br />
bei einer etwas genaueren Kontrolle konnte schon allerhand Unangenehmes<br />
passieren. Außerdem fiel man immer als Ausländer auf, sobald man den<br />
32 Hebräisch: Land Israel. (Ch.Fl.)<br />
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