Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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ekam noch einen Stehplatz, während Abraham draußen im Vestibül blieb.<br />
Auch Ernst Kahn aus Bordeaux war in jenen Tagen in Paris und zusammen<br />
mit Lore Sieskind gingen wir am Nachmittag spazieren. Überhaupt schien<br />
es, als ob jemand die Parole ausgegeben hätte, an Weihnachten in Paris zu<br />
sein, denn enorm viele von uns hatten sich - ganz zufällig - versammelt,<br />
Günter und Ilse Aronade, <strong>Hans</strong> Ehrlich und Frau und noch einige andere<br />
aus dem Werkdorf in Wieringen. Wenn man eine halbe Stunde in der Nähe<br />
des Gare du Nord patrouillierte, konnte man gewiss sein, einen der Unsrigen<br />
dort zu treffen.<br />
Abraham, der einen Verwandten in Paris hatte, war öfters bei diesem<br />
eingeladen. Sonst vertrieben wir uns die Zeit meistens zusammen und gingen<br />
abends oft ins Kino. Zippi war bald zu seiner Baustelle bei Rouen zurückgekehrt<br />
und wir beide standen am Donnerstag, den 30. Dezember<br />
1943, abends um 21:30 Uhr mit Willy zusammen auf dem Austerlitzbahnhof.<br />
Dieses Mal fuhren wir sehr komfortabel 2. Klasse, natürlich kostenlos.<br />
Nach neunstündiger Reise kamen wir wieder in unserem alten Bordeaux an,<br />
ich in richtiger Katerstimmung, denn nach Paris schien mir diese Stadt noch<br />
unsympathischer als früher. Ich ging gleich am nächsten Tag ins Hotel Lion<br />
d’Or um zu sehen, ob von Christiaan vielleicht hier eine Nachricht wartete.<br />
Aber nichts dergleichen!<br />
Abends gingen Herbert, Ernst, ich und ein Mädel aus der Rue Tanesse<br />
aus Anlass des Jahreswechsels ins Kino. Danach saßen Herbert und ich<br />
noch in einem Café, um die Mitternachtsstunde abzuwarten, aber man spürte<br />
überhaupt keine Stimmung, weder auf der Straße, noch in den Cafés, die<br />
eigentlich um diese Zeit geschlossen sein mussten.<br />
Abraham war zu dieser Zeit unterwegs zu Christiaans Freund in dem<br />
Städtchen Peyrehorade, in der Nähe von Bayonne, um dort etwas über<br />
Christiaan zu erfahren. Er kam nach drei Tagen zurück mit dem Bescheid,<br />
dass Christiaan plötzlich nach Holland abreisen musste und erst am 6. Januar<br />
1944 zurückerwartet wurde. Abraham hatte keinerlei Adresse bekommen,<br />
sondern nur eine Telefonnummer.<br />
Ich hatte mir inzwischen die Zeit damit vertrieben, Firmen ausfindig zu<br />
machen, wo ich oder auch andere Arbeit finden konnten, natürlich gegen<br />
guten Lohn ausbezahlt. Als Abraham zurückkehrte, beschlossen wir, wieder<br />
nach Paris zu fahren, um Christiaan am 6. Januar zu erwarten. So fuhren wir<br />
also am 5. Januar abends um 22 Uhr aus Bordeaux ab und kamen morgens in<br />
Paris an. Wir gingen erst auf eine Hotelsuche in Montmartre, da uns dieses<br />
Mal das „Transatlantique“ zu teuer war, landeten aber in Ermangelung von<br />
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