Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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der Straße und so weiter. Dieses waren die schlimmsten Minuten. Ich musste<br />
immer schnell antworten, das heißt, vor allem fantasieren. Und exakte<br />
Daten zu nennen war gefährlich, denn damit konnte ich mich in meinem<br />
eignen Lügennetz verstricken.<br />
In meiner Brieftasche fanden sie einen Brief von Willy an Kurt mit der<br />
Adresse „Rue Paul Louis Landes“ in Bordeaux. Ich sagte, das sei ein Café.<br />
„Was für ein Café?“ kam die Frage. Ich antwortete, das sei ein Ort, wo viele<br />
Holländer und Belgier verkehrten, und jener Nano Mulder - der Deckname<br />
von Kurt Reilinger - lasse seine Post dorthin kommen.<br />
„Wer ist Nano Mulder?“<br />
„Ein holländischer Arbeiter, der jetzt auf Urlaub in Holland ist.“<br />
Und wer Edith sei, von der im Brief die Rede war. Das wusste ich beim<br />
besten Willen nicht und wies darauf hin, dass der Brief mich ja nichts anging.<br />
Dann fanden sie meinen alten Marschbefehl, den ich für die Reise von<br />
Toulouse nach Bordeaux gebraucht hatte.<br />
„Ach, in Toulouse warst du auch!“<br />
„Ja sicher, und jetzt war ich wieder auf dem Weg dorthin.“<br />
„Wozu?“<br />
„Um eine Baustelle zu suchen“, war meine Antwort.<br />
Immer wenn ich zur Antwort gab, dass ich auf der Suche nach einer<br />
Baustelle war, schrie der Kleine: „Märchen, Märchen, alles Märchen!“<br />
Womit er ja im Grunde Recht hatte. Ob ich in Toulouse Bekannte hätte?<br />
„Nein“, antwortete ich, „ich war nur zwei Tage dort.“<br />
In welchem Hotel ich geschlafen hätte? Ich nannte irgendein Hotel.<br />
Dieses ganze Gefrage war fürchterlich, und ich ersehnte das Ende herbei.<br />
Dann begannen sie nach dem Zweck aller Gegenstände, die mir gehörten,<br />
zu fragen. Ich wurde fast wütend, als sie nun an meinen wahren Aussagen<br />
zu zweifeln begannen. Am liebsten hätte ich ihnen zugerufen: Ihr Idioten,<br />
das, was wahr ist, glaubt Ihr mir nicht, aber meine Phantasien schluckt<br />
Ihr ohne weiteres!<br />
„Also, wozu ist dieser Kompass?“<br />
„Den habe ich noch aus meiner Pfadfinderzeit in Holland.“<br />
Ungläubig sah man mich an. Ich wusste ja, dass sie mich für einen Terroristen<br />
hielten.<br />
„Und diese Lupe?“<br />
„Die stammt noch aus der Zeit, als ich Briefmarkensammler war.“<br />
„Was der nicht alles früher war“, gab einer ironisch zu bemerken.<br />
Da fuhr ich auf.<br />
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