Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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Ich schleuderte alles in den Rucksack, wie in einem Trancezustand.<br />
Meine Decken und Matratze gab ich wieder ab und dann brachte ich noch<br />
einige geliehene Bücher den betreffenden Mitgefangenen und sagte ihnen<br />
so etwas wie „Ich glaube, dass ich frei gelassen werde“ und verabschiedete<br />
mich von ihnen. Wir wünschten uns noch gegenseitig alles Gute, und dann<br />
wurde ich auf das Büro geführt, wo ein mir unbekannter Mann auf mich<br />
wartete.<br />
Dort wurde mein Taumel etwas gedämpft, da ich vermutete, dass er gekommen<br />
war, um mich nach Mont-de-Marsan zu bringen. Aber nein, man<br />
gab mir, gegen Unterschrift, alle Papiere, Lebensmittelkarten und Geld<br />
zurück, genau das, was man mir abgenommen hatte. Dann verabschiedete<br />
ich mich wohlweislich nicht mit „Auf Wiedersehen!“<br />
Der Wächter, der mich mit meinem Begleiter hinausließ, wünschte mir<br />
noch einmal alles Gute. Es war ein netter Kerl, ein Gefreiter, zufällig aus<br />
Leipzig. Überhaupt waren alle Schließer sehr anständig gewesen, und zu<br />
dem einen sagte ich: „Na, ich hoffe, es war das erste und das letzte Mal,<br />
aber ehrlich gesagt, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt.“ Wobei ich<br />
natürlich nicht mehr an die schlimmen ersten 14 Tage dachte. Was für ein<br />
herrliches Gefühl, den grauen Bau hinter mir zu sehen. Dabei wusste ich gar<br />
nicht, was weiter mit mir geschehen würde.<br />
Hundert Schritte vom Gefängnis entfernt fiel mir plötzlich ein, dass ich<br />
im Garten meinen Schal vergessen hatte, und ich fragte meinen Begleiter,<br />
ob ich ihn da zurücklassen solle. Und ich fügte hinzu: „Bleibe ich hier in<br />
der Nähe, dann kann ich ihn immer noch holen?“<br />
Er aber sagte, ich solle ihn holen. So rannte ich noch einmal zurück,<br />
nahm noch Abschied von meinem Gehilfen im Garten, dann ließ ich jenen<br />
düsteren Aufenthaltsort endgültig hinter mir.<br />
Auf dem Weg zum Bahnhof gingen wir durch die belebten Straßen und<br />
ich sah mir neugierig jedes Geschäft an. Wir mussten eine halbe Stunde auf<br />
die Straßenbahn warten und fuhren dann zur Oberbauleitung Biscaya. Dort<br />
wurde mir nach einigen Formalitäten ein Zuweisbefehl für die O.T.- Firma<br />
Züblin gegeben und mein Begleiter meinte: „Na, wenn wir in unserem<br />
Garten was zu tun haben, hol ich dich wieder zurück.“ Dann gingen wir in<br />
ein kleines Zimmer, das wahrscheinlich sein Büro war.<br />
Er setzte sich und begann mir einen langen Vortrag zu halten, der ungefähr<br />
folgenden Inhalts war: Er habe zufällig meine Papiere auf der Sicherheitspolizei<br />
am vorigen Tage in die Hände bekommen, und es war ihm<br />
möglich, mich aus dem Gefängnis herauszuholen.<br />
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