Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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Wir waren gerade wieder zurück auf dem Bahnsteig, als plötzlich ein<br />
Feldgendarm auftauchte und unsere Papiere verlangte. Aber der Sonderausweis<br />
erfüllte seine Aufgabe, und wir konnten ungehindert passieren.<br />
Abraham wollte wieder im gleichen Hotel ein Zimmer nehmen. Ich dachte<br />
mir, dass es der Wirtin merkwürdig vorkommen müsste, wenn wir heute<br />
wieder so schmutzig und ohne Gepäck ankämen. Aber ich gab schließlich<br />
nach, und wir bezogen wieder dasselbe Zimmer wie am Abend zuvor.<br />
An diesem Abend berieten wir noch lange. Wir besprachen auch die<br />
Möglichkeit, einen dritten Versuch zu machen, aber sehr begeistert waren<br />
wir nicht mehr. Wir dachten an andere Möglichkeiten, wie auf dem Verbindungsstück<br />
von zwei Wagen, der sogenannten Harmonika, aufzusitzen,<br />
aber, wie gesagt, der rechte Enthusiasmus war weg. Ich war vor allem besorgt,<br />
weil wir kaum noch Geld und fast keine Lebensmittelmarken mehr<br />
hatten, und so dachte ich, das Beste sei, erst einmal Arbeit in Bayonne oder<br />
Biarritz zu suchen und dann später noch einmal einen Versuch zu machen.<br />
Diesen Montag schlenderten wir mit einem entsetzlichen Hunger herum<br />
und trafen zufällig in einem Restaurant, in dem wir immer billig und gut zu<br />
essen pflegten, einige Holländer, denen ich ein Päckchen Zigaretten, die ich<br />
immer als Notreserve bei mir trug, für 100 Francs verkaufte, sodass wir für<br />
die folgende Nacht die Zimmer bezahlen konnten. Diese Holländer gaben<br />
uns auch die Adresse einer holländischen Firma in Biarritz, und wir beschlossen,<br />
abends dorthin zu gehen, um unser Glück zu versuchen. Nachmittags<br />
spazierten wir ziellos in der Umgebung von Bayonne herum und<br />
drückten die Daumen, dass wir abends Glück haben möchten.<br />
Wieder auf einer Baustelle<br />
Um 17:30 Uhr fuhren wir mit der Straßenbahn nach Biarritz. Im angegebenen<br />
Hotel waren viele holländische Arbeiter, und Abraham traf einige Bekannte<br />
von seiner ehemaligen Baustelle in Jonsac. Das erleichterte unsere Aufgabe<br />
schon wesentlich. Man erzählte uns Einzelheiten über die Firma und schickte<br />
uns in das Zimmer des Chefs. Herr Cleysteen erwies sich als ein sehr einfacher<br />
und freundlicher Mann. Wir erzählten ihm irgendetwas Glaubhaftes. Er<br />
schenkte uns Brotmarken und meinte, wir sollten am nächsten Morgen auf<br />
der Baustelle erscheinen, das war der Flugplatz von Biarritz. Wir waren überglücklich,<br />
vor allem Abraham, als er noch ein Paket Tabak als Vorschuss<br />
bekam. Die Jungen gaben uns noch jedem ein Stück Kommissbrot, das wir<br />
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