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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Feldwege, und nach einer halben Stunde landeten wir in einem Café. Dort<br />

erzählte uns der Wirt, dass wir ganz dicht an der französischen Grenze seien<br />

und nur zwei Schritte genügten, um hinüberzugehen. Wir tranken inzwischen<br />

Limonade und aßen noch etwas, denn der günstige Zeitpunkt, um die<br />

Grenze zu überschreiten, war noch nicht gekommen. Auch konnten wir<br />

nicht direkt hinüber, sondern mussten in einem Bogen gehen, um auf keine<br />

deutsche Patrouille zu stoßen. Einmal, als wir gerade aufbrechen wollten,<br />

kamen drei französische Grenzpolizisten mit den typischen Baskenmützen<br />

auf dem Kopf ins Lokal, und wir mussten wieder warten, bis sie endlich<br />

gingen. Inzwischen hatten wir verschiedene Päckchen Tabak gekauft, denn<br />

damit konnte man, wie Willy sagte, in Frankreich gute Geschäfte machen.<br />

Zu Fuß über die französische Grenze<br />

Endlich marschierten wir los, von vielen Segenswünschen des Wirts begleitet,<br />

denn wir waren nicht die ersten, die bei ihm vorbeikamen und die Willy<br />

hinüberbrachte. Wir liefen wieder über einen Feldweg, mussten manchmal<br />

über Gräben springen und Äcker überqueren. Mir war nicht so 100 Prozent<br />

geheuer bei diesem Manöver, denn das ganze Gelände um uns herum war<br />

so flach und offen, dass man schon von weitem gesehen werden konnte. Rie<br />

konnte mit den vielen Taschen, die sie schleppte, nicht so schnell mitkommen,<br />

und ich half ihr etwas beim Tragen. Wir alle steuerten immer noch<br />

gerade über einen Acker auf ein Bauerngehöft zu. Als ich mich einmal<br />

umsah, entdeckte ich etwas, das mir vor Schreck den Atem nahm: ganz in<br />

der Ferne eine deutsche Uniform auf einem Rad. Ich machte Willy darauf<br />

aufmerksam, und er sagte kein Wort.<br />

An Weglaufen war nicht mehr zu denken. So marschierten wir dann<br />

eben ganz ruhig weiter. Der Radfahrer hatte uns natürlich schon gesehen<br />

und kam ganz gemütlich den Weg heruntergefahren und erwartete uns. Es<br />

war einer vom Grenzschutz, ein Veteran in den Fünfzigern, schätzte ich, mit<br />

einem biederen deutschen Gesicht. Das erste, was er sagte, war: „Papiers,<br />

s´il vous plait!“ Willy sprach ihn gleich deutsch an und erklärte ihm die<br />

Lage. „Na, dann kommt mal mit, ihr Holländer!“ Ich gab alles verloren.<br />

Denn laut Papier befanden wir uns als Arbeiter der Firma Dickman auf dem<br />

Marsch von Bordeaux im Südwesten von Frankreich nach Roubaix im<br />

Norden. Wie leicht war es doch einfach diese Firma anzurufen, um sich von<br />

der Echtheit der Papiere zu überzeugen!<br />

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