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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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anderen waren weiter vorne eingestiegen. Es war ungefähr 12:30 Uhr. Ein<br />

entsetzlicher Hunger wütete in meinem Magen, und mir schien es das Beste,<br />

die Augen zuzumachen und bis zur Ankunft in Toulouse zu schlafen.<br />

Als wir endlich am Bestimmungsort ankamen, war ich im Innern unaussprechlich<br />

froh über den guten Ablauf der ganzen Geschichte. Es war fast<br />

keiner unter uns, der sich nicht irgendwie krank fühlte. Mich fror es in allen<br />

Knochen, und zu allem Überfluss regnete es, als wir in Toulouse zu unserem<br />

alten Hotel Gambetta gingen. Ein französischer Kamerad hatte uns am<br />

Bahnhof abgeholt und allen ein paar Brezeln gegeben, die wir gierig aufaßen.<br />

Er gab uns auch Brotmarken und machte mit uns eine Verabredung<br />

für den nächsten Tag. Paul legte sich sofort ins Bett, denn er war am<br />

schlimmsten dran. Wir anderen besorgten uns erst etwas, um unsern Hunger<br />

zu stillen und aßen dann alles schnell auf. Danach trennten wir uns. Der<br />

eine ging zum Friseur, der andere ins öffentliche Badehaus, jeder nach<br />

seinen persönlichen Bedürfnissen. Mittags trafen wir uns dann alle im Café<br />

de la Paix und aßen, bis wir kaum noch atmen konnten.<br />

Ich fühlte eine zweifelhafte Freude, als ich wieder durch die Straßen von<br />

Toulouse lief. Einerseits hatte ich von all dem Abschied genommen und<br />

hatte geglaubt, es nie wieder zu sehen, andererseits war ich froh, dass die<br />

Tour ohne jeden gefährlichen Zwischenfall so glimpflich verlaufen war.<br />

Am nächsten Abend, es war der 20. November 1943, ging ich zum<br />

Bahnhof, um unsere zurückgebliebenen Freunde abzuholen, nachdem ich<br />

für sie schon Hotelzimmer besorgt hatte. Aber nur Adrian erschien, und ich<br />

erschrak, da ich an etwas Schlimmes dachte, wie es ja leicht möglich war.<br />

Aber er beruhigte uns - mit mir war noch ein französischer Chawér gekommen<br />

-, als er uns erzählte, dass der Autobus überfüllt gewesen war und<br />

sie darum nicht einsteigen konnten. So waren sie also gezwungen, bis Montag<br />

zu warten, da am Sonntag keine Verbindung bestand. Als ich dies alles<br />

den anderen Freunden erzählte, bemitleideten wir sie alle, noch zwei Tage<br />

länger in der Einöde sitzen zu müssen, und wir stellten uns vor, wie groß<br />

diese Enttäuschung für sie gewesen sein musste.<br />

Die nun folgende Zeit in Toulouse verlief für uns alle ziemlich ereignislos.<br />

Der zweite Trupp kam am Montag planmäßig an, und man erzählte,<br />

dass nach unserer Abfahrt sich das Essen enorm gebessert hatte. Inzwischen<br />

wurden wir von unseren französischen Freunden immer damit getröstet,<br />

dass binnen einiger Tage eine neue Tour starten sollte. Aber es waren immer<br />

bloß Versprechungen, und allmählich glaubte keiner mehr daran.<br />

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