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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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er mir aus Bordeaux Geld holen und überhaupt von meiner Lage berichten<br />

solle. Außerdem versprach er, mir Lebensmittel zu senden. Ich wusste gar<br />

nicht, wie ich mich revanchieren könnte, und wir phantasierten beide, schon<br />

frei zu sein, und in dem Fall versprach ich ihm, ihn zu einem großen Diner<br />

einzuladen. Von mir selbst hatte ich ihm gar nichts erzählt, nur dass ich schon<br />

dreimal versucht hatte, nach Spanien zu kommen.<br />

So war ich wieder allein, aber jetzt kam ich leichter darüber hinweg,<br />

weil ich regelmäßige Arbeit verrichtete. Ich schlief jetzt auch besser. Vorher<br />

war ich mitten in der Nacht schon ausgeschlafen und wurde danach<br />

unzählige Male wach. Jetzt schlief ich die ganze Nacht durch, da ich auch<br />

tagsüber nicht mehr dazu kam, ein Nickerchen zu machen.<br />

Der Gipfel meiner Bemühungen um Arbeit wurde erreicht, als ich eines<br />

Tages mit hinaus durfte, um in Bayonne zu arbeiten. In der letzten Zeit war<br />

regelmäßig von dem Heereskraftwagenpark eine Gruppe von sechs Mann<br />

zur Arbeit in einer Garage angefordert worden, und gerade in jenen Tagen<br />

war einer von der Gruppe krank geworden, und daher durfte ich mit. War<br />

das ein herrliches Gefühl, draußen auf den Lkw zu steigen und dann nach<br />

dreieinhalb Wochen zum ersten Mal wieder etwas von der Welt außerhalb<br />

der Gefängnismauern zu sehen! Die Menschen, die Mädchen, die Straßen<br />

und die Cafés! Das war eine Freude, die ich nie vergessen werde! Fast fühlte<br />

ich mich wie neu geboren! Leider dauerte das Glück nicht allzu lange.<br />

Nach 10 Minuten Fahrt waren wir in jener Garage und luden den ganzen<br />

Morgen Reifen ab, die im Land requiriert worden waren. Mittags auf dem<br />

Rückweg wieder die gleiche Emotion. Aber nachmittags zog dann die<br />

Gruppe ohne mich aus, und ich war ganz niedergeschlagen.<br />

Von diesem Tag an war mein einziges Ziel, regelmäßig mit dieser Kolonne<br />

zu arbeiten, aber erst wollte es mir nicht so recht gelingen. Inzwischen<br />

hatte ich einmal eine offizielle Karte schreiben können und sandte<br />

diese am 1. März 1944 zum Café von Albert in Bordeaux. Darin bat ich um<br />

Wäsche und Lebensmittel. Am Tag zuvor hatte ich Gelegenheit gehabt,<br />

einen illegalen Brief hinauszuschmuggeln, den ich in die Rue Tanesse<br />

schickte und in dem ich alle Begebenheiten beschrieb. Aber ich hörte absolut<br />

nichts von draußen, und so wurden meine Vermutungen bestätigt, dass<br />

wahrscheinlich unsere Organisation aufgeflogen war. Sonst hätte man mir<br />

zumindest Wäsche geschickt.<br />

Am 15. März 1944 schrieb ich wieder eine offizielle Karte mit den gleichen<br />

Wünschen, aber keinerlei Antwort.<br />

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