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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Ich begann damit, mich wieder einmal richtig satt zu essen und aß daher<br />

für 60 Francs Spiegeleier, Fleisch, Karotten und weiße Bohnen. Die letzteren<br />

schienen unvermeidlich zu sein in dieser Gegend. Anschließend ging<br />

ich spazieren, und als ich über mir die Sterne und vor mir das bewegte Meer<br />

sah, ringsumher die Umrisse der eleganten Hotelpaläste, da wurde mir erst<br />

richtig bewusst, welches Glück mir widerfahren war und wie gut es das<br />

Schicksal mit mir gemeint hatte!<br />

Also hatte ich doch richtig kalkuliert: Entweder eine Katastrophe oder<br />

ein Wunder würde geschehen! Und nachdem es Letzteres normalerweise<br />

nicht geben sollte, war es mir doch geschehen. Ich war so von einer tiefen<br />

Dankbarkeit zu meinem unsichtbaren Beschützer erfüllt, und erst, als es mir<br />

zu kalt wurde, riss ich mich aus dem Nachdenken und kehrte zum „Hotel“<br />

zurück.<br />

Am anderen Morgen, um 5:45 Uhr, stand ich auf. Ich hatte ja sechs Wochen<br />

lang - auf den Tag genau - ausgeruht und ging frisch, obwohl nicht<br />

begeistert, an die Arbeit. Ich schloss mich den Holländern an und half am<br />

Strand vom Chambre d’Amour, 5 km von Biarritz entfernt, beim Eisenflechten<br />

für die Bunker.<br />

Mittags gab es schlechte Suppe, aber man konnte satt werden. Am<br />

Abend fuhren wir, wie am Morgen, mit dem Autobus zurück. Da dann die<br />

Post immer schon geschlossen war, konnte ich nie eine Nachricht von mir<br />

schicken. Am liebsten hätte ich telegraphiert, aber von der Küstenzone aus<br />

war das verboten. So geduldete ich mich bis Sonntag und schrieb zwei<br />

Postkarten, eine nach Paris, die andere nach Bordeaux.<br />

Inzwischen hatte ich mir ein kleines Zimmer für 200 Francs im Monat<br />

gemietet und gab diese Adresse an. Der Grund dafür war, das Zimmer im<br />

„Hotel“, das voller Läuse war, schleunigst zu verlassen, und ich sehnte<br />

mich auch wieder einmal nach einer anständigen Behausung. So lag ich die<br />

erste Nacht wieder in richtigem Bettzeug, eine wahre Sensation! Ich war in<br />

großartiger Stimmung, auch weil meine ersten selbständigen Unternehmen<br />

so gut gelungen waren. Am nächsten Sonntag würde ich 21 Jahre werden,<br />

und dann wollte ich, weil es der einzige freie Sonntag im Monat war, nach<br />

Bordeaux, das während meiner Haftzeit zur Stadt meiner Träume geworden<br />

war. So arbeitete ich also tagsüber am Strand, und nach der Arbeit schlenderte<br />

ich in der Stadt umher und machte Einkäufe. Hunger hatte ich keinen<br />

mehr.<br />

Die 5.000 Francs, die Kurt mir einst für den Aufenthalt in Toulouse gegeben<br />

hatte, waren noch unberührt, denn jene sechs Wochen im Gefängnis<br />

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