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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Um 5 Uhr standen wir auf. Es war der 24. Dezember 1943 und Heiligabend.<br />

Nachdem wir uns gewaschen und etwas gegessen hatten, nahmen<br />

wir von den freundlichen Leuten Abschied, indem Christiaan sie durch ein<br />

Geldgeschenk für ihre Gastfreiheit belohnte.<br />

Der Autobus war so überfüllt, dass wir mit dem Bummelzug um 19 Uhr<br />

vorlieb nehmen mussten. Als wir dann, um uns die lange Wartezeit zu verkürzen,<br />

über unser beider Pläne sprachen, sagte ich, dass wir eben in Bordeaux<br />

abwarten würden. Christiaan schwieg eine Weile und fragte dann im<br />

natürlichsten Ton der Welt, warum wir eigentlich nicht mit ihm nach Paris<br />

gingen. Wir antworteten, dass wir dazu kein Geld hätten, aber das war für<br />

ihn anscheinend kein Hindernis. „Ihr geht dann natürlich auf meine Kosten.<br />

Ich bezahle alles. Das wisst ihr doch!“<br />

In der Tat hatte er sich bis jetzt als enorm großzügig erwiesen und<br />

schien über große Mittel zu verfügen. Er hatte uns vorher schon ein beachtliches<br />

Taschengeld gegeben, und als wir jetzt die Fahrkarten kauften, konnten<br />

wir den Rest vom Geldschein auch behalten. Ich wäre ihm am liebsten<br />

um den Hals gefallen, denn das Letzte, das ich erwartet hatte, war, Weihnachten<br />

in Paris zu verbringen. Paris, die Stadt, die ich so gerne noch einmal<br />

besuchen wollte! Abraham war nicht weniger erfreut als ich, und in der<br />

besten Stimmung bestiegen wir den Bummelzug.<br />

Gegen 13 Uhr mittags kamen wir endlich in Bordeaux an. Ich blieb, um<br />

Fahrkarten nach Paris zu kaufen, auf dem Bahnhof, während Christiaan und<br />

Abraham ins Hotel gingen. Als sie zurückkamen, zeigte Abraham mir ein<br />

Zettelchen, das ein Arbeitskollege für uns hinterlassen hatte, und woraus ich<br />

erfuhr, dass die ganze Gruppe in der vergangenen Nacht wieder zur Arbeit<br />

nach Biarritz zurückgekehrt war. Aber das störte mich nicht mehr, denn die<br />

Hauptsache war, dass wir nach Paris fuhren. So endete also nach dreieinhalb<br />

Tagen Arbeit meine Karriere bei der Firma „Zwart en Cleysteen“!<br />

Um 13:45 Uhr fuhren wir mit dem Express nach Paris. Draußen war<br />

herrliches Wetter, und ich hatte so ein ähnliches Gefühl wie früher, wenn<br />

ich in die Ferien fuhr. Ich pries mich glücklich, dass wir unserem neuen<br />

Freund gefolgt waren, der sich so großzügig erwies. Abends, punkt 21:30<br />

Uhr, liefen wir in Paris-Austerlitz ein, und so geschah eben das, was ich mir<br />

nie hätte träumen lassen: Nach unserem so glücklichen Start aus Auffay und<br />

dem missglückten Ausflug in die Pyrenäen sah ich doch Paris wieder! Kurz<br />

vor unserer Ankunft dort hatten wir mit Christiaan eine Verabredung getroffen,<br />

um ihn am nächsten Tag um 14 Uhr an einem bestimmten Ort zu treffen,<br />

wo er uns auch Geld für unseren Aufenthalt geben würde.<br />

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