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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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schnell französisch sprach. Rie antwortete auf alles nur: „Wehrmacht,<br />

Wehrmacht!“ Er aber antwortete nur: „Non, Wehrmacht!“, worauf Rie<br />

ebenso hartnäckig entgegnete: „Si, si, si, Wehrmacht!“<br />

Ich lief inzwischen schnell zum Ausgang und holte Willy. Und wieder<br />

tat der Wisch seine Pflicht, denn vor den Stempeln der deutschen Wehrmacht<br />

und einem Schriftstück, dessen Inhalt der Beamte doch nicht begriff,<br />

musste er weichen. So machten wir unsern Eintritt in Paris.<br />

Willy kannte ein Hotel ganz in der Nähe des Bahnhofs. Es trug den Namen<br />

„Hotel Transatlantique“, in der Rue des deux gares gelegen. Dort wurden<br />

wir eingeschrieben und erhielten sehr einfache, aber saubere und große<br />

Zimmer. Zippi und ich schliefen zusammen, Paul mit Willy, und Familie<br />

Bonn in einem dritten Zimmer.<br />

Zippi und ich gingen später, als wir schon im Bett lagen, noch einmal<br />

die Ereignisse dieses Tages durch, und wir mussten gestehen, dass wir uns<br />

den Verlauf der Ereignisse ganz und gar nicht so vorgestellt hatten, als wir<br />

damals in der Nicolaas Witsenkade in Amsterdam zum ersten Mal über<br />

Frankreich sprachen. Na denn, Anfang gut, Ende gut, dachten wir. Und so<br />

schliefen wir ein mit der Aussicht, am nächsten Morgen Paris, diese für uns<br />

noch unbekannte ehemalige Lichterstadt, kennen zu lernen.<br />

Es war ein unvergesslicher Anblick, den ich am nächsten Morgen vom<br />

Fenster unseres in der dritten Etage gelegenen Zimmers hatte. Vor mir,<br />

unten, lag das riesige Gelände des Gare de l`Est mit seinem Menschengewimmel<br />

und Bahnhofsbetrieb und dahinter die Pariser Vorstädte, die auf<br />

etwas hügeligem Gelände alle in morgendlichen Dunst gehüllt waren. Mein<br />

Herz schlug unwillkürlich höher, obwohl ich später noch unendliche Male<br />

schönere Aussichten hatte. So standen wir alle beide da und konnten nicht<br />

begreifen, dass wir vor drei Tagen noch durch Amsterdam gefahren waren<br />

und heute mitten in Paris erwachten. Wir würden bis Mittwochabend bleiben<br />

und versprachen uns, die Zeit gut zu nutzen, um so viel wie möglich zu<br />

sehen.<br />

Bald saßen wir mit den anderen vier zusammen und frühstückten, viel<br />

zu ausgiebig und für meine Begriffe viel zu lange, denn ich brannte vor<br />

Ungeduld hinauszukommen. Endlich war es dann so weit. Nun wollten aber<br />

Max und Willy zum Friseur, sodass wir drei anderen uns inzwischen in der<br />

Nähe die Zeit vertreiben mussten. Wir gingen etwas spazieren und nahmen<br />

unsere Umgebung neugierig auf. Auch sahen wir einige Juden mit dem uns<br />

wohlbekannten Stern. Dann mussten wir zurück zum Gare du Nord, um die<br />

anderen zu treffen. So stromerten wir alle den ganzen Dienstag und auch<br />

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