Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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immer wieder die Seine zu sehen war. Um 10:30 Uhr kamen wir in Rouen<br />
an und fuhren um 11 Uhr mit dem Personenzug Richtung Dieppe weiter.<br />
In Auffay, so hieß der Ort, wohin wir mussten, stiegen wir aus. Am<br />
Bahnhof erwartete uns tatsächlich Herr de Mol, so hieß unser zukünftiger<br />
Arbeitgeber. Die nächsten Stunden verbrachten wir in einem Café, aßen<br />
unsere „Wurst mit Butter und Brot“ - langsam wurden es wieder Butterbrote<br />
- und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Wir hatten schon verschiedene<br />
Male das Städtchen durchkreuzt und waren zufrieden, als wir ein<br />
Kino entdeckten. Um 7 Uhr kam Herr de Mol und holte uns vier Männer,<br />
Zippi, Max, Gérard und mich, zur ärztlichen Untersuchung ab. Wir wurden<br />
von einem französischen Arzt, der sehr liebenswürdig war, von Kopf bis<br />
Fuß untersucht. Und es geschah weiter nichts, als dass er bei Zippi, der sich<br />
schon den ganzen Tag nicht wohl gefühlt hatte, Angina feststellte.<br />
Er konnte gleich in der Krankenbaracke zurückbleiben, und wir anderen<br />
zogen los. Gegen 6 Uhr wurden wir in einem Auto zu unserem zukünftigen<br />
Wohnort, einem nahegelegenen Dorf mit Namen Biville-la-Baignarde, gebracht.<br />
Dort angekommen, wurden wir etwas entmutigt durch einen leeren,<br />
primitiven Schuppen, in dem wir hausen sollten, ohne Wasser, Licht, Betten,<br />
Stühle, völlig unmöbliert.<br />
Ein O.T. 28 - Leiter, der bei uns war, bekam vor allem mit dem Ehepaar<br />
Bonn Mitleid und besorgte ihnen ein herrliches, vornehmes Zimmer beim<br />
Bürgermeister des Dorfes. Gérard und ich mussten mit den Strohmatratzen<br />
vorlieb nehmen. Nachdem wir allein waren, besprachen wir die Situation<br />
und hofften, was Arbeit und Essen betrifft, mehr Glück zu haben als mit der<br />
Wohnung.<br />
Am nächsten Morgen sollten wir beginnen, aber hier standen wir vor einem<br />
Problem: Wie im Dunkeln wach zu werden, sich nicht waschen zu<br />
können und die Kleider zu finden! Ich beschloss daher, sobald ich mit der<br />
Arbeit am nächsten Tage fertig wäre, ein Zimmer zu suchen, denn dieser<br />
Zustand war auch dem Anspruchlosesten doch zu primitiv. Ich wurde also,<br />
Wunder über Wunder, am nächsten Morgen beizeiten wach und ging ungewaschen<br />
zur Arbeit.<br />
Max holte mich ab. Gérard hielt in der Baracke Wache, und das wurde<br />
auch als Arbeit gerechnet. Ich aß unterwegs mein Frühstück und nach einer<br />
28 Die Organisation Todt (O.T.) wurde im Mai 1938 gegründet und nach ihrem Führer Fritz<br />
Todt benannt. Sie wurde als Bauorganisation für militärische Anlagen geschaffen, die sowohl<br />
in Deutschland als auch in den von deutschen Truppen besetzten Gebieten kriegswichtige<br />
Bauvorhaben durchführte. (Ch.Fl.)<br />
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