Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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An Reparatur war nicht zu denken und so band ich alle Teile zusammen und<br />
schickte das Ganze mit der Bahn nach Amsterdam. Meinem Freund riet ich, mit<br />
einer anderen Gruppe nach Luxemburg weiter zu radeln, was er auch tat.<br />
Ich selber fuhr per Anhalter oder Autostop, wie man es auch nannte, zurück<br />
Richtung Holland. So kam ich denn auch nach Lüttich, wo gerade eine<br />
internationale Wasserausstellung stattfand.<br />
Auf der letzten Strecke zur Grenze nahm mich ein etwas angetrunkener<br />
Holländer in seinem Auto mit, und er bestand plötzlich darauf, mir zu zeigen,<br />
wie man die Grenze überschreiten konnte, ohne kontrolliert zu werden.<br />
Ich war aber daran gar nicht interessiert, da ich einen gültigen Pass hatte.<br />
Aber, wie gesagt, er war nicht ganz nüchtern.<br />
Vor dem Grenzbaum verließen wir das Auto und passierten zu Fuß die<br />
Grenze, und der diensttuende Beamte fragte nur, ob wir Holländer seien.<br />
Mein Begleiter antwortete bejahend und wir setzten uns in eine Wirtschaft.<br />
Etwas später ging er wieder zurück und holte das Auto. Ich erwähne diese<br />
Episode absichtlich, weil dies mein erster illegaler Grenzübertritt war, dem<br />
noch andere, aber viel gefährlichere, folgen sollten.<br />
Einmal zurück auf holländischem Boden, fand ich abends keine Unterkunft,<br />
und ich bereitete mich schon darauf vor, unter freiem Himmel in<br />
einem Wäldchen zu schlafen. Jedoch eines der Kinder, die ganz in der Nähe<br />
spielten, sah meinen Vorbereitungen für das Nachtlager zu und kam wahrscheinlich<br />
auf den Gedanken, das seinen Eltern zu erzählen. Es kam dann<br />
auch später zurück mit der Einladung, in ihrem Heim zu übernachten. Das<br />
tat ich dann auch mit großer Freude.<br />
So kehrte ich wohlbehalten im August nach Amsterdam zurück. Die politische<br />
Lage hatte jetzt ihren Siedepunkt erreicht. Es ging um Danzig und<br />
den polnischen Korridor. Und so kam der 1. September 1939, an dem<br />
Deutschland in Polen einmarschierte.<br />
Noch heute erinnere ich mich, wie wir zwei Tage am Radio hingen und<br />
schließlich am 3. September Chamberlains Rede hörten, mit der lang ersehnten<br />
Kriegserklärung an das Dritte Reich am Schluss.<br />
Mit noch viel mehr Spannung verfolgten wir die Ereignisse, die nun<br />
kommen sollten. Aber zu unser aller Enttäuschung hörten wir in den darauf<br />
folgenden Monaten nur von Scharmützelgefechten im Niemandsland zwischen<br />
Maginot- und Siegfriedlinie 11 und höchstens über Bombardierung<br />
deutscher Städte im Ruhrgebiet mit Flugblättern!<br />
11 Entlang ihrer Ostgrenze errichteten die Franzosen mit Baubeginn 1929 ein Bunkersystem<br />
zum Schutz gegen eine neue Invasion. Von 1938 bis 1940 entstand auf deutscher Seite ein<br />
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