Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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„Ja“, antwortete ich, „bezahlen kann ich schon, aber ich steige sowieso<br />
an der nächsten Station aus und fahre erst morgen weiter nach Toulouse.“<br />
Damit war die Sache erledigt. In der Tat näherte sich der Zug meinem<br />
Ziel, Peyrehorade. Der Express verlangsamte seine Schnelligkeit und hielt<br />
quietschend. Ich nahm mein Bündel und stieg aus. Es regnete immer noch,<br />
aber zur Abwechslung ganz fein. Der Bahnhof war ungefähr 800 Meter<br />
vom Dorf entfernt. Als ich das wahrnahm, machte ich kehrt, um nicht unnötigerweise<br />
meinen Rucksack mitzuschleppen; diesen ließ ich bei der Gepäckaufbewahrung<br />
zurück. Ich wollte ja nach erledigter Mission abends um<br />
18:30 Uhr weiterfahren. Ich steckte mir etwas zum Essen in die Manteltaschen<br />
und machte mich auf die Suche nach dem Hotel „La Roserie“.<br />
Hinterher besehen, kann ich nur sagen, dass ich keinerlei Vorgefühle hatte<br />
betreffs dessen, was nun geschah. Vielleicht war ich noch etwas unter dem<br />
Eindruck des etwas unerwarteten Zwischenfalls im Zug und meine Gedanken<br />
beschäftigten sich noch damit. Auch dachte ich in keinem Moment an<br />
Willys Warnung: „Pass auf, dass du nicht auch so reinfliegst wie Abraham!“<br />
Nein, ich marschierte ruhig und heiter meinem Schicksal entgegen.<br />
Alles in mir war sehr geordnet. Ich war ganz zufrieden, dass ich nicht<br />
wieder zu einer Baustelle zurück musste. Ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen,<br />
ähnlich der, die ich in Amsterdam hatte, und ich freute mich schon auf den<br />
nächsten Tag, den Freitag, den ich nach Willys Beispiel in Lourdes zu<br />
verbringen gedachte. Denn meine Verabredung in Toulouse war erst auf<br />
Samstagmittag festgesetzt.<br />
Schließlich sah ich das bewusste Hotel. Ein Haus, durch einen verwahrlosten<br />
Vorgarten etwas abgetrennt von der Straße. Mit verwischten Buchstaben<br />
las ich auf einem Schild „Hotel de la Roserie“. Im dem Garten bemerkte<br />
ich deutsche Soldaten, die Pferde striegelten. Sofort wurde mir klar,<br />
dass das Hotel von der Wehrmacht beschlagnahmt worden war. Trotzdem<br />
war es möglich, dass der Besitzer, eben der Freund von Christiaan, mit dem<br />
wir in Bordeaux zusammen gegessen hatten, noch dort wohnte und wenn<br />
nicht, dann konnte ich auch nichts ändern und meine Nachforschungen über<br />
Abraham wären auf dem toten Punkt angelangt. Ich durchquerte den Garten<br />
und fragte den ersten, besten Rekruten, der mir über den Weg lief, nach<br />
dem bewussten Hotelbesitzer. Er war, seinem Deutsch nach zu urteilen, ein<br />
sogenannter Volksdeutscher, und brummte etwas von Schreibstube und<br />
wies mit der Hand nach oben.<br />
Ich erkundigte mich, als ich ins Haus eintrat, bei einem zweiten Soldaten<br />
und erhielt die gleiche Antwort, nur dass dieser mich nach oben geleitete. In<br />
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