Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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wurde geöffnet und hinter mir sorgfältig verriegelt. Ich war wieder einmal<br />
allein.<br />
Einigermaßen neugierig sah ich mich in dem Raum um. Dann aber richtete<br />
ich mein „Bett“ ein und legte mich halb angekleidet schlafen. Erst in<br />
der vertrauten Bettwärme fühlte ich mich zum ersten Mal wieder wie geborgen,<br />
für heute würde ich wohl Ruhe haben.<br />
Es war gar nicht auszudenken, welchen Streich mir mein Schicksal gespielt<br />
hatte! Nach einiger Zeit beruhigte ich mich. Morgen, dachte ich,<br />
kommt wieder ein neuer Tag. Es dauerte trotzdem ziemlich lange, bis ich<br />
endlich einschlief. So endete der schicksalsschwere 10. Februar 1944.<br />
Ich wurde am nächsten Morgen wach, weil plötzlich in meiner Zelle das<br />
Licht angedreht wurde. Danach hörte ich nur von draußen die Schritte des<br />
Wächters, der von Zelle zu Zelle marschierte, manchmal einen „Guten Morgen“<br />
rufend. Ich erwachte aus einem Traum, und nur langsam wurde ich<br />
mir meiner jetzigen misslichen Lage bewusst. So blieb ich liegen und dachte<br />
nach, bis meine Zelle aufgeschlossen wurde und ein Wächter mit Unteroffiziersrang<br />
mir einen Reisigbesen in die Hand drückte, um die Zelle zu<br />
fegen.<br />
Danach konnte ich mich draußen am Waschbecken waschen, holte aber<br />
lieber Wasser in der dafür bestimmten Schüssel. So war ich wieder allein.<br />
Neugierig sah ich zum ersten Mal durch das kleine Guckloch, um mir meinen<br />
zukünftigen Aufenthaltsort näher zu betrachten. Dann wusch ich mich<br />
und machte sonst ein bisschen Toilette. Hinterher begann ich, um mir etwas<br />
Bewegung zu verschaffen, in der Zelle auf und ab zu gehen.<br />
Ich dachte nochmals alles durch, was man mich fragen konnte, um keine<br />
Sekunde mit der Antwort zu zögern. Auch wiederholte ich im Geiste alle<br />
Aussagen des gestrigen Abends für den Fall, dass man mir wieder die gleichen<br />
Fragen stellen würde. So marschierte ich die vier Meter lange Zelle<br />
unzählige Male auf und ab, bis die Zellentür wieder geöffnet wurde und<br />
mich derselbe Unteroffizier aufforderte, zum Verhör zu kommen.<br />
Vor dem Raum, zu dem ich geführt wurde, stand ein großer blonder<br />
Mann, der dem Blonden vom vorigen Abend ähnelte. Wir setzten uns, und<br />
ein Dossier wurde auf den Tisch gelegt. Mein Gegenüber riet mir gleich zu<br />
Anfang, nur die Wahrheit zu sagen, da er alle Aussagen der „Bande“ in<br />
jenem Dossier habe. Und er begann noch einmal alles zu wiederholen, was<br />
ich am vorigen Abend ausgesagt. Danach ging er näher auf diesen de Jong<br />
ein, den ich gestern schnell erfunden hatte, und von dem ich behauptete, das<br />
Geld und die Marschbefehle erhalten zu haben.<br />
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