Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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Als wir dann am 7. Dezember 1943 von ihnen Abschied nahmen, kam<br />
es mir vor, als ob sie nicht glaubten, uns im Diesseits noch einmal wiederzusehen.<br />
Eine richtige Totenstimmung herrschte. Auch unsere französischen<br />
Kameraden waren entsetzt und behaupteten, wenn sie über uns zu<br />
bestimmen hätten, würden wir nicht fortgelassen. Außerdem wäre es schade<br />
um das spanische Geld, das sie uns mitgäben, und sie sagten, wir sollten uns<br />
die Sache mit dem „Maquis“ noch einmal durch den Kopf gehen lassen.<br />
Aber wir waren taub für alle Einwände. An demselben Tag noch nahmen<br />
Willy, Herbert, Abraham und ich den Zug nach Bordeaux. Ich sah aber<br />
dann doch davon ab, eine Probefahrt zu machen, da es ein unnötiges Risiko<br />
schien. In Bordeaux wollte Herbert wieder an die Arbeit gehen und warten,<br />
bis wieder eine Fahrt nach Spanien zustande käme.<br />
Wir beide blieben noch drei Tage in Bordeaux, wohnten im Hotel Lion<br />
d’Or, aßen im Wehrmachtsheim und setzten unsere Abreise auf Samstag,<br />
den 11. Dezember 1943 fest. Abraham hatte das bestimmte Gefühl, dass wir<br />
noch zu Chanukka in Spanien landen würden. Wir hatten die Absicht, bis<br />
Bayonne mit dem Abendschnellzug zu fahren und die sechs Minuten Aufenthalt<br />
dort zu benutzen, um unter den Zug zu kriechen. Aber um nach<br />
Bayonne mit dem Zug zu fahren, reichten unsere gewöhnlichen Papiere<br />
nicht aus, denn man brauchte einen sogenannten „Sonderausweis“.<br />
Aber Willy mit seinen genialen Einfällen half uns. Er veranlasste uns<br />
mit einem Marschbefehl zur O.T. zu gehen und dort schafften wir es, einen<br />
(echten!) Sonderausweis zu erhalten, wodurch wir noch eine Gratisreise<br />
nach Bayonne hatten. Hinterher sagten wir freudestrahlend: „Na, wenn es<br />
so gut anfängt, wird das Ende auch gut sein!“ Abends fuhr Willy wieder<br />
nach Paris, und wir amüsierten uns mit allerhand Galgenhumor. Es erwies<br />
sich dann, dass er selbst auch nicht geglaubt hatte, dass wir Ernst machen<br />
würden.<br />
Der bedeutungsvolle 11. Dezember 1943 brach an!<br />
Tagsüber schlenderten wir herum. Um 18 Uhr würde unser Zug gehen.<br />
Um 16:30 Uhr waren wir in der Rue Tanesse, um alles, was wir nicht mitnehmen<br />
konnten, dort zu hinterlassen. Um nicht ganz ohne jedes Gepäck<br />
aufzufallen, wollte ich eine Aktentasche mitnehmen, die ich dann in Bayonne<br />
im Gepäcknetz liesse. Die letzten, die uns sagten, dass wir beide übergeschnappt<br />
wären, waren Herbert und Ernst Kahn, die in der Rue Tanesse<br />
eine Wohnung gemietet hatten. Um 17:45 Uhr waren wir auf dem Bahnsteig.<br />
Unglücklicherweise hatte der Zug eine Stunde Verspätung. In meiner<br />
Manteltasche hatte ich eine Taschenlampe, dicke Handschuhe und eine<br />
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