Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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hungert würden, denn ich hatte den ganzen Morgen noch nichts zu essen<br />
bekommen.<br />
Er ging nicht darauf ein, sondern rief den Wächter. „Von heute ab muss<br />
der hier nach unten in eine Einzelzelle, sonst können sie sich miteinander<br />
unterhalten.“<br />
„Jawohl“, brummte der Unteroffizier, „ich werde mit dem Oberfeldwebel<br />
sprechen.“<br />
Und so zog ich mit ihm ab.<br />
In meiner Zelle stand inzwischen eine Flasche Limonade, ich aber erwartete<br />
sehnsüchtig etwas Essbares. Nach einer Weile kam der Wächter<br />
und sagte, dass ich umziehen müsse. So wanderte ich von Zelle 78 zur<br />
Zelle 66 unten. Nachdem ich mich etwas eingerichtet hatte, wurde mir erst<br />
klar, dass ich die eine Nacht in der Zelle neben L. geschlafen hatte. Trotz der<br />
ernsten Situation musste ich lachen. Aber ich war noch sehr erregt nach dem<br />
Verhör und sah mit einiger Angst dem nächsten am Nachmittag entgegen.<br />
Aber man wollte mich anscheinend doch nicht aushungern, denn gegen<br />
halb eins ging die Zellentür auf und man gab mir in den einen Blechnapf<br />
zwei Kellen voll Kohlsuppe und in den anderen ebenso viel Karotten. Außerdem<br />
bekam ich noch ein Stück Brot mit etwas Wurst. Der Anblick dieser<br />
Sachen erhöhte meinen Mut. Wie ein Wilder fiel ich über alles her und ließ<br />
außer einem kleinen Stückchen Brot nichts über, denn vielleicht war dieses<br />
das einzige Mahl am Tage, und ich wollte etwas für den Abend aufbewahren.<br />
Dann räumte ich das Tischchen leer und legte mich nieder, mit dem<br />
Kopf auf dem Arm, um mein Missgeschick im Schlaf zu vergessen. Aber<br />
ich duselte nur unruhig, schlief nicht richtig ein, denn ich konnte jedesmal<br />
hören, wenn draußen am Tor geklingelt wurde. Und mit jedem Klingelzeichen<br />
fuhr mir immer der Schreck in die Glieder. Schon bildete ich mir ein,<br />
den Wächter zu hören mit der Aufforderung, zum Verhör zu kommen.<br />
So verging die Zeit mit ängstlichem Warten. Der Abend kam, das Essen<br />
wurde gebracht, und noch immer erwartete ich den SDler vom Morgen. Als<br />
etwas später der Wächter kam, um das Licht zu löschen, fragte ich, ob denn<br />
heute kein Verhör mehr stattfände? Er antwortete nur: „Nee, heute nicht<br />
mehr, gute Nacht!“<br />
„Gute Nacht!“, antwortete ich und installierte mich in meinem Bett.<br />
Die nächsten 14 Tage, die nun folgten, waren die schlimmsten meiner<br />
ganzen Haftzeit. Morgens wurde man schon um 7 Uhr geweckt, und zwar<br />
dadurch, dass im benachbarten Block, der für Wehrmachtsangehörige bestimmt<br />
war, einige Male „Aufstehen!“ gebrüllt wurde. Eine halbe Stunde<br />
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