09.11.2012 Aufrufe

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Meine Eltern erlaubten mir nicht mehr, auf Besuch zu kommen. Sie konnten<br />

nicht mehr hinaus, denn die meisten Länder hatten ihre Grenzen für<br />

Juden geschlossen. Sie schrieben sich zwar beim amerikanischen Konsulat<br />

in Berlin ein und bekamen eine Quotennummer. Aber die Nachfrage für<br />

Auswanderung in die Vereinigten Staaten war so groß und die Quote so<br />

klein, dass wenig Aussicht auf Erfolg bestand.<br />

Inzwischen tauchte auch mein Onkel Carl in Amsterdam auf und erreichte<br />

mit Müh und Not eine Aufenthaltsgenehmigung. Er bezog ein kleines<br />

Zimmer in unserer Wohnung und sorgte auch für meinen Unterhalt,<br />

nachdem der Zahlungsverkehr mit Deutschland nicht mehr möglich war. In<br />

jenen Monaten war Holland überlaufen von jüdischen Flüchtlingen, und die<br />

meisten, die zugelassen wurden, mussten sich in einem dafür eingerichteten<br />

Lager im Nordosten Hollands ansiedeln, in Westerbork.<br />

Unsere kleine Wohnung wurde um einen zusätzlichen Gast reicher. Dieses<br />

Mal war es Bernis Vater, der aus Adelebsen kam, in der Nähe von Hannover<br />

gelegen. So war die Wohnung voll besetzt, ich behielt aber trotzdem<br />

mein eigenes Zimmer.<br />

Im Sommer 1939 erreichten es meine Eltern noch, meine Schwester mit einem<br />

Kindertransport nach England zu schicken. Ursprünglich sollte sie über<br />

Holland reisen, und ich dachte sie dann noch zu treffen. Aber stattdessen fuhr<br />

sie mit dem Schiff von Hamburg nach England. 10 Ich hatte inzwischen mit<br />

meinem Freund Günter Wolff einen Plan für die Sommerferien geschmiedet,<br />

und zwar eine Reise per Fahrrad nach Belgien und Luxemburg zu machen.<br />

Es blieb nicht beim Vorhaben und eines Tages fuhren wir wirklich los und<br />

übernachteten die erste Nacht bei dem Vater eines Freundes aus Leipzig in<br />

Rotterdam. Und dann ging es weiter nach Belgien. Erst zu Verwandten von<br />

Günter in Antwerpen, wo wir einige Tage blieben, und dann nach Brüssel zu<br />

Verwandten von mir, wo wir sehr kühl empfangen wurden und nicht übernachten<br />

konnten. Zum Schluss landeten wir bei Bekannten von Günter, die im Gegensatz<br />

zu meinen Verwandten zwar in einem ärmlichen Emigrantenmilieu<br />

lebten, uns aber warm willkommen hießen. Von dort ging es weiter in die<br />

Ardennen, und wir übernachteten von jetzt ab nur noch in Jugendherbergen.<br />

Eines Morgens, es war in dem Städtchen Rochefort, wollte ich gerade auf<br />

mein Fahrrad steigen, als es aus unerklärlichen Gründen in zwei Teile brach.<br />

10 Edith <strong>Flörsheim</strong> heiratete in England und wurde Mutter von zwei Kindern. 1968 ging sie<br />

nach ihrer Neuverheiratung mit ihrem amerikanischen Ehemann Williams nach Austin, Texas,<br />

wo sie noch heute (2007) lebt. (B.MC./ H.N.)<br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!