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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Trotzdem waren meine besten Freunde deutscher Herkunft. Ich fühlte mich<br />

sehr wohl in der Großstadt und genoss mein ziemlich selbständiges Dasein,<br />

im Gegensatz zu den Freunden, die mit ihren Eltern lebten.<br />

Zu Channuka holte ich mir auf dem deutschen Konsulat die Erlaubnis,<br />

in den Ferien nach Deutschland zu fahren, und so verlebte ich wieder zwei<br />

schöne Wochen im trauten Familienkreis in Leipzig.<br />

Inzwischen begann das Jahr 1938. Die internationale politische Lage<br />

spitzte sich immer mehr zu. Hitler war in Österreich einmarschiert, und bald<br />

kam das Sudetengebiet an die Reihe. Im Sommer 1938 fuhr ich wieder in<br />

den großen Ferien nach Hause und zwischen Halle und Leipzig stand plötzlich<br />

mein Vater im Zug vor mir. Er war mir einfach ein Stück entgegen gefahren,<br />

um mich zu überraschen, was ihm auch tatsächlich gelang.<br />

Im Laufe dieser Ferien fuhren wir alle vier ein paar Wochen nach Königswinter<br />

am Rhein, und dieses sollte auch das letzte Mal werden, dass wir<br />

zusammen sein konnten. Überall in den Badeanstalten und Parkanlagen<br />

waren schon Schilder zu sehen mit „Juden unerwünscht“. Wir aber störten<br />

uns nicht viel daran, weil keiner von uns äußerlich als Jude erkennbar war.<br />

Im Laufe dieser Ferien kamen manchmal Telephonanrufe aus Leipzig,<br />

die meine Eltern hin und wieder etwas beunruhigten, aber uns Kindern erzählte<br />

man nichts.<br />

Zu Beginn des neuen Schuljahrs kehrte ich nach Amsterdam zurück und<br />

war nicht wenig überrascht, als unangemeldet mein Vater in Amsterdam erschien.<br />

Den Grund dieser Reise erfuhr ich nicht, nur zeigte er mir mit unverhohlenem<br />

Stolz einige Goldmünzen, die er herausgeschmuggelt hatte.<br />

Das war aber auch das letzte Mal, dass ich ihn sah. Ich glaube, er ahnte es<br />

damals, denn der Abschied zwischen uns, morgens auf der Treppe, als ich<br />

zur Schule musste, war schwer.<br />

November kam und damit die Pogromnacht. Vater wurde wie so viele<br />

andere verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald geschickt. Er<br />

kam nach sechs Wochen zurück, kahl geschoren und abgemagert, wie mir<br />

meine Schwester später erzählte.<br />

Unser Geschäft ging indessen noch weiter. Joseph, der Bruder und Teilhaber<br />

der Firma, war schon 1936 nach Südafrika ausgewandert, was ihm<br />

schnell gelang auf Grund seiner Tätigkeit dort während des Ersten Weltkriegs.<br />

9<br />

9 1919 hatte Joseph <strong>Flörsheim</strong> die Witwe Else seines im Ersten Weltkrieg gefallenen Bruders<br />

Willy geheiratet. Joseph Fl. verstarb 1969 in Johannesburg/ Südafrika, wo er mit einem Geschäftspartner<br />

namens Samson ein Einzelhandelsgeschäft geführt hatte. (B.MC./ H.N.)<br />

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