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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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gesprochen wurde nicht. Langsam dämmerte es im Osten. Als wir nach 2<br />

Stunden in Labouheyre ankamen, trennten wir uns voneinander in der Hoffnung,<br />

dass ich bald gute Nachrichten bringen möge. Danach stiegen sie aus,<br />

und ich war meinen Gedanken überlassen.<br />

Draußen goss es in Strömen. Dann sah ich nach genauer Einsicht in den<br />

Fahrplan, dass ich mich geirrt hatte, da an jenem Tag der Autobus gar nicht<br />

verkehrte. So musste ich umdisponieren und beschloss, nach einigem Zögern,<br />

über Bayonne zu fahren. Bayonne war aber Küstensperrgebiet, und ich wusste<br />

nicht, ob ich da Schwierigkeiten bekäme. Außerdem war es ein großer<br />

Umweg und eine Fahrt von fünf Stunden im Bummelzug. Kurz hinter Dax<br />

wurden von der Zugwache meine Papiere kontrolliert. Alles war in Ordnung,<br />

und ich erkundigte mich noch mit naiver Miene, ob ich in Bayonne aussteigen<br />

dürfe. „Selbstverständlich dürfen Sie das“, war die Antwort.<br />

Nach der Ankunft in Bayonne ließ ich meinen Rucksack in der Gepäckabgabe<br />

und ging in die Stadt, von früher gut bekannt. Aus Tradition und in<br />

Ermangelung etwas Besseren ging ich in ein mir bekanntes Restaurant, das<br />

Abraham und ich früher besucht hatten. Nach Peyrehorade wollte ich mit<br />

dem D-Zug um 2 Uhr fahren, und so konnte ich in aller Ruhe meine weißen<br />

Bohnen mit Leber essen. Dann schlenderte ich zum Bahnhof, holte meinen<br />

Rucksack und ging zum Zug.<br />

Da kein Sitzplatz mehr zu finden war, blieb ich im Gang stehen, denn es<br />

handelte sich um eine Fahrt von weniger als einer Stunde. 10 Minuten nach<br />

Abfahrt des Zuges kam die Kontrolle einer Heeresstreife. Ein Feldgendarm<br />

beanstandete den Sonderausweis und der kontrollierende Feldwebel schrieb<br />

alles fein säuberlich auf seinen Block. Ich entrüstete mich künstlich, wurde<br />

aber belehrt, dass es für Zivilpersonen verboten war, mit einem Sonderausweis<br />

zu reisen.<br />

„Ist das eine neue Bestimmung?“, fragte ich so naiv wie möglich.<br />

„Nein, sie besteht schon seit dem vorigen Sommer“, war die Antwort.<br />

„Na, ich kapiere das nicht! Die eine Dienststelle stellt den Ausweis aus,<br />

und die andere erklärt sie für ungültig.“<br />

Ich glaubte, damit sei der Fall abgeschlossen. Aber nein, ich wurde kurz<br />

danach in das Dienstabteil des Zuges gerufen.<br />

„Sind Sie imstande die Reise selbst zu bezahlen? Denn noch nicht einmal<br />

die NSV 35 darf gratis reisen.“<br />

35<br />

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt: Trägerin der Wohlfahrtspolitik im NS-Regime.<br />

(Ch.Fl.)<br />

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