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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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„Wo ist diese Aufnahme gemacht?“<br />

„In Amsterdam“, antwortete ich.<br />

„Das ist sicher der Vater?“<br />

„Ja, stimmt.“<br />

„Dieses ist ...?“<br />

„Die Mutter.“<br />

Und so ging es weiter. Für alles musste ich eine Erklärung geben, wer<br />

auf dem Bild war.<br />

Dann packte er alles wieder ein. Nachdenklich nahm er dann das Protokoll<br />

in die eine und die Marschbefehle in die andere Hand und sagte: „Tja,<br />

das einzige, wofür du strafbar bist, sind diese Papiere. Das ist Schiet, mein<br />

Junge, großer Schiet!“ (Er sprach Hamburger Dialekt.) In jenem Augenblick<br />

hatte ich schon wieder so viel Hoffnung, dass es mir auf der Zunge<br />

lag, zu fragen, ob er nicht so gut sein wollte und diesen „Schiet“ einfach in<br />

den Ofen zu werfen. Zum Schluss meinte er, „Na, ich will mal sehen, ob ich<br />

dich später bei der O.T. unterbringen kann.“<br />

„Wie lange wird das Urteil jetzt noch auf sich warten lassen?“ Er zuckte<br />

statt einer Antwort die Achseln. „Und was meinen Sie, welche Strafe ich<br />

bekommen werde, denn es sind eigentlich nur die Marschbefehle?“<br />

„Das kann ich dir nicht sagen.“ Dann verabschiedeten wir uns.<br />

Wieder zur Arbeit zurückzukehren, hatte keinen Zweck mehr. Als ich<br />

wieder in meiner Zelle war, führte ich erst einmal einen kleinen Freudentanz<br />

auf, denn die erwartete Katastrophe war nicht eingetreten. Trotzdem<br />

war ich nicht sicher, ob nicht doch in Holland nachgefragt worden war. Unangenehm<br />

war nur der Gedanke, dass ich jetzt noch drei Monate auf mein<br />

Urteil warten musste. Wenn ich Glück hätte, wäre mit der Zeit der Untersuchungshaft<br />

gleichzeitig meine Strafzeit verbüßt.<br />

Also konnte ich damit rechnen, in zwei bis drei Monaten frei zu sein.<br />

Ich war wieder guter Hoffnung und Gedanken. Als Spion oder Terrorist<br />

erschossen zu werden, kam mir nicht mehr in den Sinn. Ich hatte sogar eine<br />

Chance, nicht nach Deutschland geschickt zu werden, denn der SDler hatte<br />

doch etwas von O.T. gesagt. So endete Mittwoch, der 22. März 1944.<br />

Donnerstag, der 23. März 1944 brach an, wie jeder der letzten Tage voll<br />

strahlendem Sonnenschein, tiefblauem Himmel und einer leichten Brise<br />

vom Meer her. Am Morgen wurden wir, wie üblich, mit dem Lastauto abgeholt.<br />

Ich erzählte während der Fahrt den anderen von meinem Verhör.<br />

Wir waren nur noch vier Mann, und einer von den drei anderen würde innerhalb<br />

von zwei Tagen entlassen werden, sodass ich befürchtete, dass man<br />

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