Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Aber es kam doch anders. Dienstagmittag waren wir zurückgekehrt, und<br />
Donnerstag war Adrian in Toulouse gewesen und hatte unsere Sachen geholt.<br />
So beschlossen wir, die zuletzt gekommen waren, Freitag zu fahren,<br />
und die anderen würden am Samstag folgen.<br />
Fluchtversuch unter einem Bahnwaggon<br />
Während wir so den ganzen Tag lang zur Untätigkeit verurteilt waren, dachte<br />
ich immer nach, auf welche Art wir nun doch nach Spanien kommen<br />
könnten, denn vom Aufgeben dieses Planes war keine Rede. Ich war ja nur<br />
deshalb nach Frankreich gekommen, um weiter zu gehen. So kam ich<br />
schließlich auf die Idee, mit dem Zug die Grenze zu passieren. Es klang<br />
zwar anfangs etwas abenteuerlich und wie in einem Karl-May-Roman, aber<br />
je länger ich darüber nachdachte, desto fester setzte sich der Gedanke in<br />
meinem Kopf fest. Ich sprach mit meinen Kameraden darüber, und die<br />
meisten hielten es für einen schlechten Witz. Nur zwei von ihnen, nämlich<br />
Berrie und Abraham, fanden es der Mühe wert, sich die technische Ausführung<br />
von mir erklären zu lassen.<br />
Ich hatte nämlich, abgesehen davon, dass ich es auch gelesen hatte, in<br />
Holland schon gehört, dass es Leute gab, die unter einem Bahnwaggon aus<br />
Deutschland geflüchtet waren. Und da ich immer denke: Was andere können,<br />
kann ich auch, wollte ich mir die Sache einmal näher ansehen. Je länger<br />
wir überlegten, desto begeisterter wurden wir drei. Aber wir wollten erst<br />
einmal in der Zivilisation zurück sein, um den Plan ernsthaft studieren zu<br />
können.<br />
Es war eisig kalt, als uns der Bauer am Freitagmorgen um 6 Uhr von der<br />
Scheune abholte. Zuerst nahm er uns zu sich nach Hause, und jeder bekam<br />
eine Tasse Kaffee mit Kognac und ein Stück Brot. Dann verabschiedeten<br />
wir uns von ihm, und seine Schwester brachte uns wieder auf die Landstraße,<br />
wo wir eine halbe Stunde auf den Autobus warten mussten, bis wir bald<br />
gefühllose Füße hatten. Die Reise selbst ging glatt vonstatten und jeder<br />
atmete auf, als wir endlich an der Bahnstation waren, also außerhalb der<br />
gefährlichen Sperrzone.<br />
Ich konnte es nicht unterlassen, als der Zug nach Toulouse einfuhr, in<br />
die Kniebeuge zu gehen, um das Untergestell eines Eisenbahnwaggons<br />
näher zu betrachten. Aber viel konnte ich in dem Augenblick noch nicht<br />
sehen. In dem gut geheizten Waggon taute ich wieder ordentlich auf. Die<br />
100