09.11.2012 Aufrufe

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

suchen, die er auch bald fand bei Bekannten, die einen Bridgeclub führten.<br />

Diese Art von Unterhaltung und Zeitvertreib war damals in deutschen Emigrantenkreisen<br />

sehr verbreitet, und in diesem Club fungierte mein Onkel,<br />

da er ein guter Kartenspieler war, als vierter Mann, wenn er an einem beliebigen<br />

Bridge- oder Skattisch benötigt wurde. Für diese Tätigkeit konnten<br />

wir beide bei der Familie Marx essen und wohnen.<br />

Der Sommer war angebrochen. Der Abschied von der Schule, die ich<br />

sehr gern besucht hatte, fiel mir nicht leicht. Ich hatte zwei gute Freunde<br />

dort, Walter Hes und <strong>Hans</strong> Bloemendal, mit denen ich auch weiterhin in<br />

Kontakt blieb. Mittlerweile begann ich eine Beschäftigung zu suchen und<br />

wurde bald ein Verkäufer von Kosmetikartikeln, die ich direkt vom Inhaber<br />

der Fabrik bezog, einem Bekannten. Diese Ware ging ich nun weiterverkaufen<br />

an meistens deutsche Emigranten, deren Adressen ich von einer<br />

Frau Rosenberg aus Frankfurt bekam, die über einen großen Bekanntenkreis<br />

verfügte. Außerdem fuhr ich mit dem Fahrrad in alle möglichen Viertel<br />

Amsterdams, um englische und amerikanische Zigaretten aufzukaufen, die<br />

ich im Bridgeclub mit einem gewissen Prozentsatz Gewinn an die verwöhnten<br />

Raucher weiterverkaufen konnte, denn solche Zigaretten waren schon<br />

längst Mangelware geworden.<br />

Dann kam mein Onkel eines Tages mir einen festen Arbeitsplatz vorschlagen.<br />

Ein Bekannter von ihm hatte in seinem Hinterhaus eine kleine<br />

Werkstatt, die jede Art von Taschen für Damen herstellte, vor allem Einkaufstaschen.<br />

Meine Aufgabe war es, zusammen mit einem etwas älteren<br />

Gehilfen mit einer Stanze viereckige Lederstücke auszustanzen, die dann<br />

von der Frau des Hauses zusammengenäht wurden, bis es eine fertige Tasche<br />

war. Es war eine recht mühsame und langweilige Arbeit, aber ich verdiente<br />

zum ersten Mal in meinem Leben Geld, wenn auch nicht viel. So<br />

ging dann der Sommer vorüber und Anfang September musste ich dann<br />

zusehen, wie meine Freunde wieder zur Schule zurückkehrten.<br />

Aber eines Tages verkündete mir mein Onkel, dass meiner Aufnahme<br />

ins Werkdorp nichts mehr im Wege stehe, da er die zuständigen Instanzen<br />

davon überzeugt habe, dass er nicht im Stande war, die geforderte Summe<br />

zu bezahlen.<br />

So fuhren wir dann eines Tages im September, drei Jungens, unter ihnen<br />

auch jener, von dem ich die ganze Idee bekommen hatte, per Eisenbahn und<br />

Bus in den Norden Hollands, in den Wieringermeerpolder, in jenen Teil<br />

Hollands, der erst vor 10 Jahren noch Meer war und trockengelegt wurde.<br />

Dieser ganze „Polder“ war also Neuland und besiedelt von funkelnagelneu-<br />

42

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!