Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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fallend, die Pyrenäen mit ihren Ausläufern. Ab und zu schauten wir auf<br />
einer Karte unsere Reiseroute nach und diskutierten über die vermutliche<br />
Länge des Marschwegs und dessen Dauer.<br />
Das Essen, das uns von unserem Bauern gekocht wurde, war sehr gut.<br />
Vor allem bestand es aus viel Fleisch. Am Abend, als wir schon fast eingeschlafen<br />
waren, kamen noch drei Mann an, die keiner kannte. Zwei waren<br />
circa 40 Jahre alt und noch ein Mann von 46 Jahren, der aber bedeutend<br />
älter aussah. Erst waren wir nicht sehr erbaut von diesem Zuwachs, da es so<br />
ganz andere Typen als wir waren, aber sie erwiesen sich als sehr unterhaltsame<br />
Menschen. Der ältere unter ihnen erzählte unaufhörlich jüdische Witze<br />
und erntete großen Beifall. Die Zeit wurde uns nie zu lang, da man sich<br />
so viel zu erzählen hatte von all den Erlebnissen der letzten Jahre und dann<br />
noch jene Geschichten, die in Frankreich und Holland ihre Runde machten<br />
und deren Held immer einer unserer Freunde war.<br />
Montagmittag sollten wir starten. Das Wetter hatte sich etwas verschlechtert,<br />
aber darauf nahmen wir keine Rücksicht. Heini und Abraham waren<br />
wieder vollkommen auf dem Posten. Emil machte sich und uns Illusionen und<br />
berechnete, dass wir Mittwoch oder Donnerstag schon in Barcelona sein<br />
könnten. Ich konnte solch leichtsinnigen Optimismus nicht mit anhören, denn<br />
mir ging es immer so: Wenn ich mich schon im Voraus auf etwas freute, kam<br />
immer etwas dazwischen. Darauf konnte ich mich verlassen!<br />
Der Montag, der 15. November 1943 brach an. Irgendjemand hatte verbreitet,<br />
dass Herbert Geburtstag hatte. Man gratulierte ihm, wünschte ihm<br />
allerhand Bedeutungsvolles und von uns Auffayern bekam er ein Päckchen<br />
Tabak für seine Pfeife, die er, ob kalt oder dampfend, im Mundwinkel hatte.<br />
Mittags, jeder hatte seine Sachen gepackt, kam unser Bergführer marschbereit<br />
gekleidet mit einem unserer französischen Kameraden aus Toulouse,<br />
der uns spanisches Geld gab und noch etwas Essen zusteckte. Wir waren 13<br />
Mann, nämlich Berrie, Heini, Abraham und Dubsky aus Gouda, Herbert,<br />
Paul, Emil und ich aus Auffay, zwei französische Jungen und die drei älteren<br />
Männer. Wir gaben alle Papiere dem Freund aus Toulouse, und von<br />
unzähligen Wünschen begleitet marschierten wir los, jeder mit einem dicken<br />
Bergstock bewaffnet. Die große Bergtour hatte begonnen!<br />
Gleich hinter unserer Hütte begann der Aufstieg über einen ziemlich<br />
steilen Pfad, über kleine Bäche und viele Steine. Jedes laute Reden war<br />
untersagt. Unsere Kolonne bot einen merkwürdigen Anblick. Jeder mit<br />
seinem Bündel, das auf irgendeine Weise am Körper befestigt, meist auf<br />
dem Rücken festgeschnallt war. Der Bergführer war der Einzige, der gut<br />
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