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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Er sagte mir, wenn irgendetwas passieren würde, und das war jetzt jeden<br />

Tag zu erwarten, sollte ich nach Amsterdam in die Tolstraat kommen, von<br />

wo ich dann „weiter expediert würde“, wie sich Hannemann ausdrückte.<br />

Das war gar nicht schlecht, nur hieß es aufpassen, um nicht noch zufällig<br />

verhaftet zu werden, vor allem, wenn etwas mit dem Altersheim geschähe.<br />

Ich hielt es für richtig, nicht mehr dort zu arbeiten und kündigte. Ich hatte<br />

das Gefühl, dass man mich ein bisschen wie einen Verräter sah, um es<br />

grob auszudrücken, aber ich machte auch keinen Hehl daraus, dass ich nicht<br />

die geringste Lust hatte, noch in Westerbork zu landen. Es war verabredet,<br />

dass bei einer eventuellen Aktion gegen das Altersheim dieses vorher telefonisch<br />

gewarnt würde, sodass jeder, der wollte, auf und davon laufen<br />

konnte. Es waren praktisch nur drei von den 12 Angestellten, die das vorhatten.<br />

Ich half unterdessen den ganzen Monat März 1943 bei einer befreundeten<br />

Familie Kahn, einer Mischehe, beim großen Hausputz vor Ostern,<br />

aber gegen Ende des Monats begann ich, weil die Arbeit getan war,<br />

wieder halbtags im Altersheim zu arbeiten.<br />

Man war nämlich sehr um Personal verlegen, da schon verschiedene<br />

Kollegen untergetaucht waren. Ab 3. April 1943 arbeitete ich dort wieder<br />

den ganzen Tag, lag aber stets auf der Lauer. Fast bei jedem Klingelzeichen<br />

sah man nach, wer es war.<br />

Es musste ja etwas geschehen, denn mittlerweile waren nicht nur alle<br />

Altersheime in den umliegenden Städten Den Haag, Rotterdam und Utrecht<br />

geräumt worden, sondern in ganz Holland war außer dem Amsterdamer<br />

Altersheim nur noch das in Gouda verschont geblieben. Und von maßgebender<br />

jüdischer Seite in Amsterdam war unser Haus schon längst für überfällig<br />

erklärt worden.<br />

Wie bereits gesagt, alles ging sehr programmgemäß. Wir schrieben den<br />

9. April 1943.<br />

Es war ein Freitagabend und wir saßen gerade beim Essen - es mochte<br />

18 Uhr sein - als unsere Heimleiterin, Sara Texeira de Mattos, eine portugiesische<br />

Jüdin, in die Küche kam und uns mitteilte, dass in ca. einer halben<br />

Stunde die Aktion beginnen werde. Meine erste Reaktion war gleich<br />

null, denn ich löffelte die gute Hühnersuppe ruhig weiter. Erst danach drang<br />

der Ernst der Nachricht zu mir durch, und ich fuhr hoch mit dem bekannten,<br />

merkwürdigen Gefühl im Magen, das ich immer bei einem plötzlichen<br />

Schrecken bekam. Alle waren natürlich sehr aufgeregt. Ich rannte zur Garderobe,<br />

nahm meinen Mantel, sah und hörte nichts mehr um mich herum<br />

und war nicht eher beruhigt, bis ich ein paar hundert Meter vom Altersheim<br />

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