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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Das Essen war unterdessen sehr knapp geworden, aber keiner hatte auch<br />

nur den geringsten Hunger. Während dieses Rückmarsches, meines zweiten,<br />

wurde ich mir völlig klar der Lage bewusst, in der wir uns befanden.<br />

Das war also das zweite Mal, dass ich so ein Abenteuer mitmachte, und wie<br />

leicht konnte es schiefgehen! Dann wären alle Gefahren, denen ich bis jetzt<br />

entgangen war, alle Bemühungen den Deutschen zu entgehen, umsonst<br />

gewesen! Ich hoffte, die Fahrt mit der Bahn nach Pau zu überstehen und<br />

wieder heil in Toulouse zu landen.<br />

Am Spätnachmittag kamen wir in einer Hütte mitten in einem Tal an.<br />

Unser Passeur war zu allem Unglück nicht ganz auf dem Posten, und wir<br />

gaben ihm öfters Aspirin. In der Hütte angekommen, legte er sich hin und<br />

deckte sich warm zu. Wir blieben da, bis es dunkelte, da man nicht gesehen<br />

werden durfte, denn wir befanden uns in der Nähe der Eisenbahnlinie. Dann<br />

zogen wir los und waren froh, wieder auf ebener Erde gehen zu können und<br />

kamen deshalb schnell vorwärts. Kurz nachdem wir einen langen Tunnel<br />

durchquert hatten, ereignete sich ein kleiner, aber harmloser Zwischenfall in<br />

der Form eines Güterzugs, der unerwartet aus der Dunkelheit angebraust<br />

kam. Wir erschraken nicht wenig, warfen uns dann aber auf die Böschung<br />

und ließen ihn vorbeifahren.<br />

Spät abends waren wir wieder in der Nähe von St. Christau, nachdem<br />

wir erneut die bewusste Talenge passiert hatten. Wir wurden in eine abgelegene<br />

Hütte, einen Kuhstall, geführt, wo wir die nächsten zwei Nächte und<br />

morgen den ganzen Tag bleiben würden.<br />

Der Passeur hatte unterwegs einen großen Käse gekauft, und es wurde<br />

ein wahrer Genuss, wieder so etwas zu essen, denn langsam waren wir<br />

hungrig geworden, auch als Reaktion auf das Überstandene. Es wurde verabredet,<br />

dass Hugo, der am besten französisch sprach, am nächsten Morgen<br />

nach Pau fahren sollte, um unsere Papiere zu holen, die Willy dort für uns<br />

hinterlassen hatte. Am Abend würde er zurückkehren und wir am darauf<br />

folgenden Morgen nach Toulouse fahren.<br />

Wie geplant, fuhr Hugo nach Pau. Unsere gute Laune kehrte wieder,<br />

weil wir gut ausgeschlafen hatten. Ich selbst stand erst gegen Mittag vonmeinem<br />

Strohlager auf. Man hatte sich dem Unvermeidlichen gefügt und<br />

dachte an die nächsten Schritte. Wir verlebten einen sehr schönen Tag.<br />

Abends gegen 20 Uhr hörten wir nicht weit von uns das wohl bekannte und<br />

erwartete „Quaak, Quaak“, und der Passeur und Hugo traten ein. Der eine<br />

brachte uns die so wichtigen Dokumente und der andere Wein, Brot und<br />

Käse. In der besten Stimmung aßen wir, und nach einer Stunde nahmen wir<br />

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