Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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kamen zu einer kleinen Hütte, aber darin konnten nur neun von uns Platz<br />
finden. Dort kroch auch ich hinein. Die anderen mussten in eine größere<br />
Hütte, die etwa 100 Meter weiter stand. Wir waren froh, den Rucksack<br />
ablegen zu können und vor dem Regen geschützt zu sein. Erst später merkten<br />
wir, welch ein eisiger Wind vom Bergkamm herab blies.<br />
Zunächst saßen wir alle da in unsere Mäntel verkrochen und klapperten<br />
mit den Zähnen vor Kälte und Nässe. Dann begann man, um warm zu werden,<br />
sich mit seinen Sachen zu beschäftigen. Ich zog meinen Mantel aus<br />
und hängte ihn vor das Loch in der Wand, wo der eisige Wind hinter mir<br />
herein blies. Jeder versuchte, seine nassen Kleidungsstücke mit halbwegs<br />
trockenen aus dem feucht gewordenen Rucksack zu vertauschen. Inzwischen<br />
versuchte der Passeur, Feuer zu machen und nach mehrfachen Versuchen<br />
gelang es ihm. Aber es dauerte doch noch immer eine halbe Stunde,<br />
bis es in dem kleinen Raum etwas warm wurde.<br />
Draußen war es Nacht geworden, eine kalte Nacht mit sternenklarem<br />
Himmel. Wir waren froh, dass unser Abenteuer noch so glimpflich ausgegangen<br />
war, doch beruhigt war ich keineswegs, da wir unmittelbar vor der<br />
Grenze saßen. Wie leicht konnte von oben der Feuerschein entdeckt werden!<br />
Ab und zu kam einer von der anderen Hütte mit Vorschlägen für die<br />
Passage, doch es wurde beschlossen, am nächsten Morgen im Schutze der<br />
Dämmerung hinüberzugehen. Bald wurde es ganz gemütlich in der Hütte,<br />
vor allem für diejenigen, die nahe am Feuer saßen und versuchten, etwas zu<br />
schlafen. Von Zeit zu Zeit wurden dann auch die Plätze gewechselt. Je mehr<br />
die Nacht fortschritt, desto mehr trockneten unsere Sachen, die wir rings um<br />
das Feuer aufgehängt hatten. Das stimmte uns wieder optimistisch. Man<br />
fühlte die Kräfte für die letzte Anstrengung zurückkehren, obwohl wir alle<br />
todmüde waren. Aber die anheimelnde Wärme des Feuers tat uns gut.<br />
Am nächsten Morgen, es war Sonntag, der 16.April 1944, brachen wir<br />
gegen 5 Uhr auf.<br />
Es war noch dunkel, aber lange würde die Dämmerung nicht auf sich<br />
warten lassen. Mit neuem Mut ging es los. Ich war, Wunder über Wunder,<br />
gut in die getrockneten Schuhe gekommen und fühlte mich erstaunlich<br />
wohl. Der Marsch begann an einem steilen Abhang, und die Gruppe zog<br />
sich wieder in die Länge. Wie gewöhnlich sah ich mich nicht viel um, sondern<br />
marschierte, die Augen auf die Schuhe des Vordermanns gerichtet.<br />
Auf einmal wurde wieder Halt gemacht. Ich dachte sofort an einen Zwischenfall.<br />
Aber nichts da! Der Passeur vorne erklärte etwas und plötzlich<br />
sah ich, wie alle ihm die Hand schüttelten. Wirklich, wir waren oben auf<br />
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