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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Dann leuchtete er mir mit einer Petroleumlampe im dunklen Vorraum herum<br />

und wies auf den Platz, wo ich am besten sitzen konnte. Ich atmete auf.<br />

Hier konnte ich getrost bis zur einbrechenden Dunkelheit sitzen, um danach<br />

zu Hause nach dem Rechten zu sehen. Die Zeit verging langsam. Ein einzelner<br />

Kunde kam. Ich hörte von weitem die gedämpfte Unterhaltung.<br />

Als der Kunde endlich das Haus verließ, leuchtete er merkwürdigerweise<br />

in dem Vorraum, in dem ich mich befand, mit seiner Taschenlampe herum.<br />

Ich erschrak natürlich und konnte mir nicht erklären, warum er das tat.<br />

Dann entfernte er sich.<br />

Endlich war es draußen dunkel genug, um sich hinauszuwagen. Mein<br />

Schwarzhändler bot mir auf dem Stroh ein Nachtlager an, und ich sagte<br />

ihm, dass ich noch nicht wüsste, ob ich davon Gebrauch machen würde. Als<br />

Dank drückte ich ihm einige Zigaretten in die Hand.<br />

Schnell trat ich auf die Straße, nachdem ich mich erst vorsichtig umgesehen<br />

hatte. Ich lief erst an der Hinterseite meines Zimmers vorbei, um zu<br />

sehen, ob die Polizei wegen mir dagewesen war, denn dann hätte mein<br />

Vermieter, wie vorher verabredet, meine Balkontüre als sichtbares Zeichen<br />

offen gelassen. Ich atmete auf, als ich nichts dergleichen sah. Dann erst trat<br />

ich ein und hörte, dass keine Menschenseele nach mir gefragt hatte. So war<br />

ich also vorläufig durchgekommen. Ich beschloss, die Nacht in meiner<br />

Behausung zu verbringen. Sehr ruhig schlief ich zwar nicht, denn es bestand<br />

ja immerhin die Gefahr, dass man mitten in der Nacht geholt werden<br />

könnte.<br />

Am nächsten Morgen ging ich sofort in die Stadt um zu hören, was nun<br />

eigentlich geschehen war. Es übertraf alle meine Befürchtungen. Alle waren<br />

verhaftet worden, die nicht in Mischehe lebten, und nur ganz wenige Familien<br />

waren vergessen worden. Man gratulierte mir zu meinem Glück.<br />

Das Altersheim stand unter Bewachung. Augenzeugen erzählten, wie<br />

furchtbar die Szenen gewesen waren, die dem Abtransport vorausgingen.<br />

Nur einer von meinen Kollegen war geflüchtet. So war ich nun stellungslos<br />

geworden. Ich blieb die nächsten Tage, schlief lange, verbrachte die Zeit<br />

mit Einkäufen, Spazierengehen, aß gut und half ab und zu auf dem etwas<br />

verwaisten Gemeindebüro aus, vor allem am Telefon. Bei dieser Gelegenheit<br />

erfuhr ich dann auch, warum man mich verschont hatte. Der Gemeindevorsitzende,<br />

Eli van der Hoeden, wurde bei einem Besuch auf dem Polizeibüro<br />

gewahr, dass ich dort gar nicht als Jude eingetragen war! Welch ein<br />

unerwarteter Glückszufall!<br />

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