Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica
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Als wir das alles hinter uns hatten, brachte man uns in ein Hotel, hier<br />
„Fonda“ genannt. Vollständig lautete der Name „Fonda Poscuaterra“, und<br />
dort schien man wieder gutmachen zu wollen, was man uns in Isaba vorenthalten<br />
hatte. Man servierte uns mit ungewöhnlichem Aufwand, ganz unvergleichlich<br />
mit dem vorigen Abend, Reis und Omeletten, Wein, Suppe und<br />
Dessert. Infolgedessen nahmen wir alle die still oder laut geäußerten Vorwürfe<br />
gegen Spanien wieder zurück. Danach brachte man uns in unsere in<br />
Privathäusern gelegenen Zimmer. Zuvor hatten wir noch untereinander<br />
vereinbart, am nächsten Morgen um 10 Uhr zum Frühstück wieder in der<br />
Fonda zu sein. In unseren Zimmern angekommen, erlebte jeder erneut eine<br />
zusätzliche Sensation, nämlich zum ersten Mal nach 5 Nächten sich wieder<br />
ausziehen und in einem richtigen Bett schlafen zu können!<br />
Am nächsten Morgen, einem Dienstag, war natürlich niemand pünktlich,<br />
denn die Müdigkeit war zu groß gewesen. Unsere kleine Gruppe, die<br />
in einem Haus ihre Zimmer hatte, kam um 10:30 Uhr an, nachdem wir<br />
unterwegs erst alle Läden studiert hatten. Es fiel uns recht schwer, uns vom<br />
Anblick jener Götterspeisen wie Feigen, Schokolade, Sardinen, Rosinen,<br />
Mandeln, Apfelsinen und Torten loszureißen. Wir glaubten schon, die letzten<br />
zum Frühstück zu sein, aber nein, zu unserem Ärger stellten wir fest,<br />
dass wir sogar die ersten waren.<br />
Einige Engländer und Amerikaner, die von uns keinerlei Notiz nahmen,<br />
saßen schon beim Frühstück, was uns abermals eine kleine Enttäuschung<br />
bereitete. Denn für unsere Mägen war eine kleine Tasse dicke Schokolade<br />
und ein winziges Stückchen Brot nicht genug. Unterdessen kamen auch die<br />
anderen angetrudelt.<br />
Wir brannten darauf, uns hinterher die Stadt anzusehen, aber der Besitzer<br />
der Fonda sagte uns, dass das eigentlich nicht erlaubt sei, da man nicht<br />
wisse, wann man uns wieder abholen würde. Aber wir erreichten doch, dass<br />
man uns in kleinen Gruppen hinausließ, jedoch nicht länger als eine halbe<br />
Stunde. Als ich an die Reihe kam, war es schon Nachmittag. Die Zeit bis<br />
dahin verbrachte ich damit, erstens wie alle anderen das Gepäck in die Fonda<br />
zu bringen, und zweitens einen langen Brief an meine Schwester Edith<br />
nach England zu schreiben, in dem ich ihr flüchtig die Ereignisse der letzten<br />
Jahre darstellte.<br />
Unser Mittagstisch war wieder sehr lukullisch. Ruth hatte außerdem von<br />
ihrem Ausflug durch die Geschäfte einige Naschereien mitgebracht, und so<br />
kosteten wir zum ersten Mal seit langer Zeit wieder gute Schokolade und<br />
Feigen.<br />
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