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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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Die Tage verliefen jetzt ganz schön schnell. Ich hatte, obwohl ich ab<br />

und zu meine paar Sachen waschen konnte, Läuse bekommen, und so lernte<br />

ich diese Art von Ungeziefer auch einmal kennen. Ich konnte und konnte<br />

einfach nicht begreifen, wo der Sicherheitsdienst blieb, und so kam ich zu<br />

der Schlussfolgerung, dass in Kürze entweder eine Katastrophe oder ein<br />

Wunder geschehen müsse. Da ich aber mit meinem Verstand nicht an Wunder<br />

glaubte, war nur eine Katastrophe zu erwarten, das heißt, man würde<br />

entdecken, wer und was ich in Wirklichkeit war.<br />

Unterdessen verließ einer nach dem anderen derjenigen das Gefängnis,<br />

mit denen ich die ganze Zeit zusammen war. Man hatte mit der Zeit die<br />

Gesichter kennengelernt, und man fühlte sich durch ein unsichtbares Band<br />

miteinander verbunden. Es waren da angebliche Spione, englische Parachutisten,<br />

Gaullisten und Leute wegen nicht begangener Vergehen, die aus<br />

irgendeinem Grund verhaftet worden waren. Die „Bande“ aus Peyrehorade<br />

einschließlich L. war in ein Konzentrationslager in Bordeaux geschickt<br />

worden. Inzwischen hatte ich noch oft Gelegenheit gehabt, mit L. zu sprechen.<br />

Ich erfuhr so auch, dass Abraham nicht mehr als einmal bei ihm gewesen<br />

war, und so musste er wahrscheinlich bei dem Passeur in den Pyrenäen<br />

gefasst worden sein. Er fragte mich auch noch, ob Christiaan mich<br />

denn nicht gewarnt hatte, dass die Sache in Peyrehorade aufgeflogen sei.<br />

Ich erklärte ihm, dass ich Christiaan nach unserer Ankunft in Paris niemals<br />

mehr getroffen hatte. So hörte ich dann auch, dass Christiaan damals mit<br />

einigen Tagen Verspätung aus Holland zurückgekehrt war, während wir die<br />

Suche nach ihm inzwischen schon aufgegeben hatten.<br />

L. erbot sich, Christiaan von meinem Schicksal in Kenntnis zu setzen,<br />

aber ich hielt es für zwecklos, da jener sich meiner kaum erinnern würde. L.<br />

war sicher der Meinung, dass ich einer seiner Mitarbeiter war.<br />

Ich konnte mir langsam ausrechnen, wer der Nächste war, der von hier<br />

weggeschickt würde, und bald wäre ich an der Reihe. Eines Tages hatte ich,<br />

nachdem ich öfters darum gebeten hatte, das große Glück, zu der bewussten<br />

Arbeitsgruppe zu kommen. So fuhr ich von jetzt ab täglich regelmäßig viermal<br />

durch die Stadt. Wir arbeiteten nicht übermäßig viel, und es war die verhältnismäßig<br />

schönste Periode meiner Gefangenschaft. Ich verblieb eigentlich<br />

nur zum Essen und Schlafen im Gefängnis. So sah ich, dass das Schicksal es<br />

noch ganz gut mit mir meinte.<br />

Nun waren meine Gedanken nicht nur auf den Arbeitsplatz gerichtet,<br />

sondern sie kreisten hauptsächlich um die Frage: „Wie komme ich hier<br />

heraus? Wie kann ich flüchten?“ Jetzt hatte ich die Gelegenheit. Es gab<br />

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