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Hans Chanan Flörsheim - Hassia Judaica

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diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass ich besser täte, wieder wegzugehen<br />

und mich im Dorf nach dem Mann zu erkundigen. Aber meine Überlegungen<br />

kamen zu spät! Ich sagte dem Soldaten, der hinter mir hinaufstieg, dass<br />

es mir überflüssig schien, zur Schreibstube zu gehen, weil der Betreffende<br />

doch nicht mehr hier wohne, da das Haus requiriert worden sei. Aber statt Antwort<br />

wies er nach oben, und ich dachte: Na schön, was kann schon passieren?<br />

Vor der Schreibstube angelangt, trat gerade ein Leutnant heraus und<br />

ging weg. Ich musste einige Minuten warten, bis er zurückkehrte, dann<br />

konnte ich eintreten. Das sich nun entwickelnde Gespräch lief ungefähr<br />

folgendermaßen ab:<br />

„Guten Tag!“<br />

„Tag!“ Ein fragender Blick.<br />

„Können Sie mir vielleicht sagen, ob Herr L. noch hier wohnt? Ich sehe<br />

nämlich, dass das Haus beschlagnahmt ist.“<br />

„Sind Sie Deutscher?“<br />

„Nein, Holländer.“<br />

„Sie sprechen aber ausgezeichnet deutsch.“<br />

„Ja, das kommt, weil ich eine deutsche Mutter habe.“<br />

„Woher kennen Sie den Herrn L.?“<br />

„Ich kenne ihn gar nicht.“<br />

„So, was wollen Sie denn von ihm?“<br />

„Ja, ich sollte ihm nur von einem Bekannten Grüße bestellen.“<br />

„So. Von welchem Bekannten?“<br />

„Der Bekannte? De Jong, auch ein Holländer.“<br />

„So. Und von wo kommen Sie jetzt?“<br />

„Ich bin jetzt von Bordeaux gekommen.“<br />

„Ach, und dieser de Schong war auch dort?“<br />

„Nein, der war in Paris. Dort war ich vor einigen Tagen.“<br />

Ich hatte während dieser Ausfragerei langsam ein unangenehmes Gefühl<br />

in der Magengegend bekommen und instinktiv angefangen, Namen zu erfinden<br />

und zu lügen.<br />

Auch wurde der Ton der Unterhaltung immer strenger.<br />

„Bei uns steht man nicht so gegen den Tisch gelehnt. Nehmen Sie einmal<br />

ein bisschen Haltung an!“<br />

Ich trat einen Schritt zurück und stellte mich halbstramm. Dann ging es<br />

weiter. Inzwischen hatte ich meinen Marschbefehl auf den Tisch gelegt.<br />

„Ach, nach Toulouse wollen Sie.“<br />

„Ja, ich muss dort zu einer Baustelle.“<br />

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